Asthma bronchiale, gegen die er bisher vergeblich ankämpfte. Schleimhautpolypen der Nase, adenoide Vegetationen und hypertrophische Tonsillen waren operativ entfernt worden. Von den anderen Stigmen fand sich bloß Prognathie. Im 7. Lebensjahre überstand Patient eine Lungen- und Rippenfellentzündung. Der Thorax des auffallend groß gewachsenen Mannes ist schmal und wenig gewölbt. In der Höhe der hinteren, linken Lungengrenze sitzt ein hanfkorngroßes Angiom. Vater des Patienten hat an Nasenpolypen gelitten und war einmal an Lungenentzündung erkrankt. Ein Bruder, der ebenfalls Prognathie aufwies, ist an Lungenentzündung gestorben. Eine 12jährige Tochter des Patienten überstand vor kurzem eine Lungen- und Rippenfellentzündung, ein Sohn mußte im Verlaufe einer Diphtherie tracheotomiert werden, ein zweiter Sohn wurde vor kurzem wegen Hypertrophie der Tonsillen operiert. Die Analyse dieses Falles erweist also als Grundlage des Asthmas eine hereditär gut nachweisbare Minderwertigkeit des Atmungsapparates, die sich bei einzelnen Familienmitgliedern auch peripher durch Auftreten von angeborenen Stigmen äußert. Kurz anfügen möchte ich noch, daß ebenso wie den Naevis auch Teleangiektasien und Angiomen ein wohlberechtigter Platz im Ensemble der Organminderwertigkeit gebührt. Wenn vor Jahren von einer Seite der Zusammenhang von Hautangiomen und Karzinomen der inneren Organe behauptet wurde, so ist der Zusammenhang wohl der, daß beiden eine Organminderwertigkeit zugrunde liegt. Der betreffende Autor ging zu weit. Die völlige Ablehnung aber, die seine Befunde erfuhren, scheint uns ungerechtfertigt. Die Stellung der Naevi, Teleangiektasien, Angiome, kurz aller angeborenen Hautanomalien zur Frage der Minderwertigkeit soll am Schlusse dieses Kapitels nochmals berührt werden.
Im Vorhergehenden habe ich den Zusammenhang der Mundstigmen mit der Minderwertigkeit des Atmungsapparates zu schildern versucht. Es besteht aber gar kein Zweifel, daß sie in ebenso innigem Konnex zur Minderwertigkeit des Verdauungsapparates stehen; die gemeinsame periphere Mündung zweier Organe wird eben die Wertigkeit eines der beiden oder beider bewahren. Meine Erfahrungen sprechen nun dafür, daß alle oben genannten Stigmen des oralen Anteils oft als Leitfaden dienen können zur Aufdeckung von Minderwertigkeiten einzelner Bestandteile des Magendarmapparates, ebenso wie sie sich nicht selten bei. Erkrankungen zugehöriger Organabschnitte vorfinden. Ein vollständiges Bild dieser Verhältnisse zu entwerfen vermag diese Studie nicht. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß Erkrankungen wie Appendizitis, Diabetes, Fettsucht. Alkoholismus, Ulcus rotundum, Lebererkrankungen
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)