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Diese ganz casuellen Aeußerungen auf Grund ganz besonderer Verhältnisse können doch nicht als Beweis für Luther’s prinzipielle Anschauung genommen werden.

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 Anders stand es allerdings bei Melanchthon. Daß man dieß nicht immer im Auge behielt, war Veranlassung so mancher Unklarheit. Es ist dieß nun aber von bedeutenden Forschern anerkannt (vgl. hierüber Landerer in Herzog’s R.-E. 9, 262 ff.; Köstlin ebenda 20, 476: „Melanchthon machte seine Vorschläge in Betreff der Bischöfe nicht blos im Sinne einer Concession an die hergebrachten Formen, sondern hegte unstreitig auch von sich aus den Wunsch der Wiederherstellung eines Episkopats, indem er darin Schutz zu finden meinte vor einer drohenden Auflösung der kirchlichen Ordnung und vor einer Tyrannei, die noch untrüglicher als die frühere werde“; auch Plitt a. a. O. II, 489). Nichts ist nach dieser Seite interessanter, als die Verhandlungen während des Reichstags zu Augsburg zu verfolgen, wie sie im 16. Band der Walch’schen Ausgabe von Luthers Werken mitgetheilt sind, in welchen der Unterschied von Luther und Melanchthon klar zu Tage liegt. Merkwürdige Belege gibt auch Menzel a. a. O. S. 191. 269 f. Wenn nun Melanchthon in jenem bekannten Briefe an Camerarius schreibt: Lutherus semper ita sensit, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß Luther im Prinzipe mit Melanchthon in diesen Verfassungsdingen eines gewesen sei; ebenso wenig als aus seinem Gutachten ad Gallos, in dem er schreibt: concedunt nostri, politiam ecclesiasticam rem licitam esse, quod videlicet sunt aliqui episcopi, qui praesint pluribus ecclesiis; item quod romanus episcopus praeest omnibus ecclesiis, geschlossen werden kann, daß die Evangelischen namentlich in Bezug auf den letzten Punkt wirklich einig mit ihm waren. Bekanntlich hat sich Melanchthon durch diese Nachgiebigkeit große Verdrießlichkeiten von Seiten des Kurfürsten und der Evangelischen zugezogen. Die fernere Behauptung Melanchthon’s: et ut maxime nulli essent episcopi, tamen creari tales oporteret, war wie jene obige nicht „das Prinzip, das die Reformatoren vor wie nachher gleich klar im Bewußtsein getragen“, sondern die Privatanschauung Melanchthon’s.