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nicht erreichen. Darum muß er in ein Verhältniß zur Kirche treten; nur als christlicher erreicht der Staat die höhere Idee von sich selbst. Die Kirche weiß andererseits, daß sie in ihrer Verbindung mit dem Staate diesem die wichtigsten Dienste leistet, da die höheren sittlichen Zwecke ohne Glaube und Religion nicht zu erreichen sind; es ist ihrer um dessentwillen nicht unwürdig, wenn sie auch ihrerseits die Dienstleistung des Staats annimmt und unbeschadet einer Lebensentwicklung auf dem ihr eigenen Grunde für ihre äußerlich rechtliche Existenz und zur Einführung ihrer Ordnungen in die Form rechtlicher Gültigkeit der Auctorität des Staatsoberhauptes sich bedient. Allein es besteht keine göttliche Nothwendigkeit weder für den Staat noch für die Kirche, ein solches Band zu knüpfen, es kann nur eine innere Angemessenheit, eine sittliche Möglichkeit hiefür behauptet werden. Und letztere besteht nur insoweit, als das vom Staate umschlossene Volksthum noch ein der christlichen Wahrheit und dem christlichen Glauben unterstelltes ist. Der christliche Staat kann nicht von obenher construirt, etwa aus dem Herrschaftsrecht Christi, aus der Aufgabe des Staats in abstracto hergeleitet werden, sondern beruht in seiner Möglichkeit und Wahrheit auf christlichem Volksthum.

 Die Beantwortung der Frage, ob unser gegenwärtiges Landeskirchenthum noch festgehalten werden könne, hängt deßhalb davon ab, ob innerhalb desselben die Kirche aus dem ihr eigentümlichen Lebensgrunde sich entwickeln und ob die von ihm umschlossenen Gemeinden im Ganzen noch als Christengemeinden betrachtet werden können.

 Hierüber äußert sich nun Harnack S. 15–82, und zwar nach einer vortrefflichen Auseinandersetzung über den Beruf der Theologie und ihre Stellung zum Bekenntniß, nach einer Schilderung der kirchlichen Physiognomie der Gegenwart, wobei namentlich auf den Protestantenverein treffende Schlaglichter fallen, nach einer Beschreibung der Position der lutherischen Kirche unter den Kämpfen der Gegenwart, der wir nur zustimmen können. Was nun die Hauptfrage anlangt, so erklärt sich Harnack nicht gegen das Landeskirchenthum an und für sich; hat er doch schon im Vorwort gesagt: