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ist der Weg der Tyrannei und der Verstörung.“ Es dürfte jedenfalls dem kirchlichen Liberalismus nicht allzu schwer werden, sich einer solchen Einrichtung, nachdem sie einmal, wenn auch von den ehrenwerthesten Motiven aus, geschaffen, zu bemächtigen und in seinem Sinne zu benutzen, leichter als sie selbst in’s Leben zu rufen. Man sage nicht, dasselbe finde auch bei dem Synodalinstitut selbst statt. Der Mißbrauch liege auch hier nahe. Es ist hier doch ein wesentlicher Unterschied. Irgend eine Gemeindevertretung ist genau genommen vom Wesen unserer Kirche, unleugbar von unserer Zeit gefordert, nicht dasselbe kann von einer Mitregierung aus ihrer Mitte heraus mit einem schon ordentlich bestellten Kirchenregiment gesagt werden. Jedenfalls müßte von dem Ausschuß einer Generalsynode aus schon um der einfachen Consequenz willen ein solcher auch für die Diöcesansynoden bestellt werden. Der reiflichsten Ueberlegung dürften diese Dinge immer noch bedürfen.

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 Allein Harnack will keine bloße Reform; er würde damit seiner ganzen Schrift mit ihrem aggressiven Zuge gegen die bestehende Verfassung die Spitze abbrechen. Wer wie er behauptet, daß durch dieselbe die Unabhängigkeit und Autonomie der Kirche in Fesseln gelegt, ihre Einheit durchbrochen, ihr Amt um seine Selbständigkeit und in die härtesten Collisionen gebracht worden ist (S. 59), muß mehr fordern; Harnack verlangt auch wirklich mehr; schon der Titel seiner Schrift besagt es. Daß er aber gleichwohl für eine freie lutherische Volkskirche wiederum das Bestehen der landesherrlichen Kirchengewalt sich als möglich denkt, können wir uns nur daraus erklären, daß er nicht gegen das Staats- und Landeskirchenthum an und für sich sein will, aber uns auch nirgends klar gesagt hat, was unter dieser Kirchengestalt an und für sich, abgesehen von ihrer Entartung in der Gegenwart, zu verstehen sei, und dieß auch nicht wohl sagen kann, weil schon ihre erste Erscheinung dem Willen der Reformatoren nicht entsprach und die folgende Entwicklung mehr oder weniger im Gegensatz zu diesem und dem Wesen der Kirche stattfand. Wir sehen darin ein Zugeständniß an das Bestehende, aus welchem die Ueberzeugung des Herrn Verfassers hervorgeht, daß es nicht so leicht sein dürfte, an die Stelle einer gesunkenen Auctorität