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Nach c. 39 hat der himmelgefahrene Christus uns aus der Gefangenschaft des Irrthums befreit und Geschenke uns mitgetheilt, wir erlangen durch ihn die verschiedenen Charismen. Als das wahre Israel sind wir aus dem Leibe Christi geschnitten (c. 135). Großartig ist c. 121, wo die erste und zweite Zukunft einander gegenübergestellt werden. Schon in der ersten verachteten Parusie erglänzte er so sehr und war er so mächtig, daß er keinem Volke unbekannt blieb und überall einige vom bösen Wandel sich bekehrten, daß die Dämonen seinem Namen sich unterwarfen und alle Gewalten und Herrschaften ihn fürchten; wie viel mehr wird er in seiner zweiten Parusie alle seine Feinde überwinden und die Seinen in die Ruhe einführen. In Christi Kraft erstand eine neue Gemeinde, aus allen Völkern gesammelt, als die eine Tochter Gottes (c. 63). Wir möchten doch fragen: ist dies der Christus der Schrift und der Kirche oder der des v. Engelhardt’schen Justin, dessen Lehre Werklehre ist mit dem S. 247 so bezeichneten Inhalt: „Was wirklich reinigt, ist die Umwandlung, die jeder an sich selbst vollzieht, die ist es, die aus einem Unreinen einen Reinen macht.“ Wenn wir damit die Worte zusammenhalten (S. 257): „Es versteht sich von selbst, daß Gerechtigkeit nur durch vollkommene Heiligkeit zu Stande kommt“, so haben wir die bereits aus den Apologien gewonnene vermeinte Anschauung Justin’s, wonach der Mensch sich selbst heilig zu machen berufen und im Stande ist; hiermit würde das neue Gesetz übrigens, freilich in ganz unchristlichem Sinne, im Gegensatz zu obiger Aeußerung immerhin etwas durchaus Neues leisten, da das Alte nicht erfüllt werden konnte: „Niemand hat Alles gethan, sondern die einen haben mehr, die anderen weniger die Gebote übertreten (Dial. 95).“

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 Der Herr Verf. beruft sich für seine weitgehenden Behauptungen auf die bekannte Stelle Dial. 45, wo Trypho fragt, ob diejenigen, welche nach dem Gesetz Mose’s gelebt haben, ohne Christus zu kennen, des ewigen Lebens theilhaft werden können. Justin bejaht dies, weil sie das ewig geltende Gute gethan haben. Hiermit scheint er allerdings den Empfang des ewigen Lebens von der Erfüllung gesetzlicher Forderungen abhängig zu machen. Allein wird hier nicht wie öfters die Lösung der Hauptfrage von der Beantwortung einer Nebenfrage abhängig gemacht? Unbedingt steht Justin fest, daß der Glaube an Christum, den im Fleische erschienenen Gottessohn, jetzt und in alle Zukunft für das ewige Heil unerläßlich ist: „Es gibt keinen anderen

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/32&oldid=- (Version vom 11.5.2019)