Seite:Adolf von Stählin - Löhe, Thomasius, Harleß.pdf/42

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Anwendung bietet die Epistelpostille (1858). Vortrefflich sind auch die „sieben Vorträge über die Worte Jesu am Kreuze“ (1859, 1868 in 2. Auflage).

 Groß ist Löhe ferner als Liturg; man hat mit Recht von einer liturgischen Majestät Löhes gesprochen; Löhe war ein Mann des Gebets und Opfers: „er war eine priesterliche Seele, er konnte auf der Kanzel und auf dem Altar nicht walten, one dass sein Odem ausströmte wie eine Flamme; das war keine Manier, keine angenommene Art bei ihm, es war die Flamme der Seele, die sich Gott opferte im Amte“, sagt Zezschwitz schön und wahr. Löhe hatte auf liturgischem Gebiete auch die ausgebreitetste Gelehrsamkeit; seine Agende für christliche Gemeinden (1848 in 1. Auflage, 1853 und 1859 in zweiter sehr erweiterter Auflage erschienen) ruht wol auf gründlicheren Studien, als irgend eine andere des Jarhunderts; sie wurde in das Hottentotische für Gemeinden am Kap übersetzt. Niemand war für die Liturgie so begeistert, als er: „ich weiß nichts Höheres, nichts Schöneres zu nennen, als die Gottesdienste meines Christus; da werden alle Künste des Menschen einig zur Anbetung, da verklärt sich ihr Angesicht, da wird neu ihre Gestalt und Stimme, da geben sie Gott die Ehre – – – die heilige Liturgie in der Kirche übertrifft alle Poesie der Welt (Epistelpostille I, S. 134)“. Löhe ist für weite Kreise ein Wecker und Widerhersteller liturgischen Sinnes und liturgischer Ordnung geworden. Den unmittelbar praktischen Wert der Liturgie überschätzte er nicht; einer gesetzlichen Weise ihrer Einfürung und ihres Gebrauchs war er abhold.

 Am größten war Löhe one Zweifel als Seelsorger; gerade nach dieser Seite muss man ihm eine charismatische Begabung nachrühmen. Löhe hatte von Haus aus eine seltene Macht über die Gemüter; noch in jüngeren Jaren äußerte er wol, dass er vor dieser Macht bisweilen selbst sich fürchte. In seelsorgerlichem Umgang war diese Gewalt seiner Persönlichkeit übrigens mit väterlicher Milde, mit der Gabe, auf die Individualität und das besonderste Bedürfnis einzugehen, gepart. Wie viele sind in der langen Zeit der Wirksamkeit Löhes in Neuendettelsau unter den verschiedensten Anliegen dort ein- und ausgegangen und haben

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/42&oldid=- (Version vom 31.7.2018)