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jene Begabung verlieh zugleich dem, was er sagte, den Stempel des Originalen und des in der Form Vollendeten. Löhe eignete eine ungewönliche Macht der Sprache; eine eigentümliche Hoheit, ein edles Pathos, ein poetischer Hauch war über das, was er schrieb, ausgegossen. Vilmar sagte, seit Göthe habe niemand mehr ein so schönes Deutsch geschrieben, wie Löhe. Wie schön, wie erhebend sind doch die Briefe, die Löhe schon als junger Vikar schrieb! Und welch eine Blumenlese reicher und reifer christlicher und pastoraler Erfarung bieten sie in öfters geradezu klassischer Form! Sünde und Gnade, Rechtfertigung und Heiligung in echt evangelischem Bunde sind die Angelpunkte, um welche von Anfang alles bei ihm sich bewegte; ergreifend ist dabei ein tief elegischer Zug schon in früher Jugend, die Sehnsucht nach dem ewigen Leben, die lebendigste Beziehung auch des Einzelnen und Kleinen auf den höchsten Lebenszweck, das unbedingte Sichstellen in das Licht der Ewigkeit.

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 Groß ist Löhe als Prediger, er zält zu den größten des Jarhunderts. Es tritt aus seinen Predigten ebenso die unmittelbar quellende Kraft einer tief in Gottes Wort eingetauchten originalen Persönlichkeit, als dialektische Abrundung, erhabener Schwung und liturgische Feier entgegen. Mit Recht hat Kahnis in Löhe im Gegensatz zu L. Harms, der vorwiegend Wille war, mehr durch die Gnade verklärte Natur gefunden. Es war bewundernswürdig und ist auch von Kahnis anerkannt, wie aus dieser geistlichen Naturfülle, auch wo die Predigt Sache des Moments war, der Strom der Rede sich oft krystallhell im sichersten Bette ergoss. K. von Raumer fand in Löhes Predigten um des klaren dialektischen Flusses willen eine Ähnlichkeit mit Schleiermachers Predigtweise. Urwüchsige Kraft, blühende Phantasie, prophetischen Lebensernst atmen die ersten homiletischen Erzeugnisse Löhes: Sieben Predigten (1836) und Predigten über das Vaterunser (1837). Das Vollendetste bietet Löhe in seiner Evangelienpostille (1848, bereits in vierter Auflage erschienen): tiefe Versenkung in den Text, abgeklärte, ebenmäßige Form, plastische Schönheit, teilweise, namentlich in den Festpredigten ein liturgisch-hymnischer Ton zeichnen sie aus. Tiefgehende Schriftauslegung, großen Reichtum der

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)