Seite:Adolf von Stählin - Löhe, Thomasius, Harleß.pdf/68

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

heraus mit der ganzen Fülle seiner tröstenden und erhebenden Kraft. Er selbst sagt über seine Predigten: „es sind einfache, aus dem Schriftwort geschöpfte Zeugnisse, deren wesentlicher Inhalt jener fürnehmste Artikel christlicher Lehre ist, der den lebendigen Mittelpunkt in dem guten Bekenntnis unserer Kirche bildet und in welchem auch ich mit ihr den ewigen Trost und die beste Kraft meines Lebens finde – der hohe Artikel von der freien Gnade Gottes in Christo, von der Rechtfertigung allein durch den Glauben. Mag immerhin Manchem der Artikel zu oft und zu stark hervorklingen in dieser Auswal meiner Predigten, mir ist es geradezu Bedürfnis, auf ihn das ganze Gewicht zu legen, und ich weiß auch, dass er wie das Fundament des christlichen Glaubens, so das kräftigste Mittel zur Erbauung im christlichen Leben ist. Er ist mein Lied im Hause meiner Walfart“. Um diesen Mittelpunkt gruppirte sich aber der ganze Reichtum christlicher Heilswarheit. Lehrhaftigkeit war sein eigentliches Charisma, one dass das erweckliche Element verleugnet worden wäre. In 5 Sammlungen erschienen seine Predigten vom Jare 1852–1860; im Jare 1861 kamen sie mit anderen nach der Ordnung des Kirchenjares zu einem Ganzen verbunden heraus. Im Jare 1876 wurde das treffliche, noch immer fleißig gelesene Predigtbuch neu aufgelegt. Teilweise warhaft erhebend und mustergiltig sind die von Thomasius gehaltenen Gedächtnisreden, z. B. auf Krafft, Engelhardt, von Schaden, von Nägelsbach, Karl von Raumer. Gerne erwänen wir hier noch die vergriffene vortreffliche Schrift: „Praktische Auslegung des Briefs Pauli an die Kolosser (Erlangen 1860)“. Wir kennen keine Schrift, in welcher die Aufgabe der praktischen Exegese, die einer wahren Vermittlung zwischen dem in der Geschichte wurzelnden göttlichen Wort und der Beziehung desselben auf die Gegenwart, so glücklich gelöst wäre, wie in dieser. Die ganze Höhe und Tiefe der apostolischen Gedanken wird in plastisch durchsichtiger, edler Darstellung dem Erbauungsbedürfnis der Gemeinde und des Einzelnen one alle homiletische Zerflossenheit nahe gebracht.

.

 Alle echte Theologie dient der Kirche, hat deren Förderung zum letzten Zweck. Für Thomasius’ gesamte theologische Arbeit

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/68&oldid=- (Version vom 31.7.2018)