Seite:Adolf von Stählin - Predigt über Evang. Lucä 21,33.pdf/8

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an dem ihr Wogenschlag sich bricht. So stehet die heilige Schrift selber vor uns als ein erhabener Wunderbau, von Gottes Liebeshand hineingebaut in den dunkeln Grund einer von Sünde und Tod beherrschten Welt, ruhend auf den Pfeilern göttlicher Verheißungen, in festem, in einander greifendem Gefüge von Thaten und Wundern Gottes himmelan ragend bis zu dem Schlußstein, den der Herr der Zeiten und König der Ewigkeiten mit der Erfüllung aller Hoffnung und Verheißung darauf setzt. Dieser Wunderbau bleibt stehen, wenn alle Gebäude der Weisheit dieser Welt um ihn her zusammen stürzen, steht fester als des Himmels und der Erde Säulen. Mit der Erschaffung des ersten Himmels und der ersten Erde beginnt die heilige Schrift und schließt mit der Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde und mitten drinnen steht derjenige, der vom Himmel auf die Erde gekommen ist und alle Erdennoth und allen Erdenjammer verschlungen hat in den Sieg und die Wonne seines himmlisch verklärten Lebens.

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 Dieser Herr, der im Worte sich selbst bezeugt und darstellt, hat einst auf Erden die Knechtsgestalt getragen. Sein Wort trägt sie freilich auch. Menschen haben die heilige Schrift, von aussen angesehen, verfaßt, durch menschliche Arbeit, die einen fast 2000jährigen Zeitraum umschließt, ist die heilige Schrift zu Stande gekommen. Aber gerade das, Geliebte, ist das Herrliche, daß hier alles so menschlich und so göttlich zugleich ist. Das ist das Herrliche in göttlicher Art und göttlichem Werk überhaupt, daß sie es lieben, in der demüthigsten Gestalt einherzugehen. Der Gott, der es nicht verschmäht hat, dem Gebilde von Staub sein Ebenbild einzuprägen, der Herr, der in wunderbarer Selbsterniedrigung seine göttliche Herrlichkeit verkleidete in das arme Menschenwesen, der hat es auch nicht verschmäht, seine ewigen Heilsgedanken dem vergänglichen Schall und Ton des Menschenwortes einzuhauchen, diesen sichtbaren Zeichen und Zügen der Menschenschrift sie einzubilden. Gerade in ihrer Knechtsgestalt offenbart