Seite:Adolf von Stählin - Predigt über Röm. 12,12.pdf/12

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Zeugnis von ihm, und sich zugleich darlebt in einer Liebe, die alles verträget, alles glaubet, alles hoffet, alles duldet, in williger Anerkennung der Gemeinsamkeit des Glaubens an den einen Herrn und der Liebe zu ihm, wo sie sich findet; wenn wir um keinen Preis uns verdrängen lassen von der aus Gottes Wort erkannten Wahrheit, aber auch des Zuges zu dieser Wahrheit, der Annäherung an sie uns freuen, wo sie sich uns kund gibt, auch unter der Hülle mancher Unklarheit, unter der Schlacke mancher Entstellung – dann, dann lebt etwas von apostolischem Geduldsmaß in uns.

 In dieser Geduld kommen wir vorwärts, hier in der Heimat, draußen auf dem Kriegsfelde der Mission. Die unruhige Hast, die jagende Eile ist das Zeichen der Gegenwart, das Zeichen der Kirche soll die Geduld, die Geduld Christi mit ihrer leibhaften Erscheinung, dem Kreuz auf Golgatha, bleiben. Vorwärts in Geduld, erscheint als der größte Widerspruch, denn Geduld ist Selbstbeschränkung, Verzicht auf Selbstkraft und Selbstherrlichkeit. Das Wort: „laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“, ist aber die Lösung des Widerspruchs. Die Geduld Gottes wartet, warten wir auch! Im Reiche Gottes geht alles mählich, langsam, senfkornartig. Heiland, Deine größten Dinge beginnest Du still und geringe! Er führt sie auch fort still und geringe; und doch ist sein Gang durch Welt und Zeit ein hoher und majestätischer Gang. Und zuletzt führt er alles herrlich hinaus. Unsere Losung sei: Vorwärts in Geduld! und endlich


III.

aufwärts im Gebet! Haltet an am Gebet, mahnt der Apostel. Kein Vorwärts im Reiche Gottes ohne ein Aufwärts. Aufwärts und immer wieder aufwärts! ist Christenlosung. Alles wahre Gebet ist im Grunde ein anhaltendes Gebet. Alles geistliche Wesen stammt ja aus der Ewigkeit, und will deshalb fort und fort auch aus der Ewigkeit genährt sein. Das Gebet ist aber das Eindringen in die Ewigkeit, das Herabholen der Kräfte der Ewigkeit in dies zeitliche, irdische Leben. Das Christenleben ist Gebet und aber Gebet und zum dritten Gebet. Aber auch alle kirchliche Arbeit muß, wenn sie frisch, lebendig, fruchtbar bleiben soll, ohne Unterlaß vom Gebet betaut sein. Und das Werk, das wir heute treiben, auf’s innigste mit dem Liebesrat unseres Gottes verwachsen und wie dieser aus der Ewigkeit stammend, die Mission, will ganz besonders von den Flügeln des Gebetes getragen sein. An einem Missionsfest soll alles einander zurufen: Aufwärts, aufwärts, im Gebet!

 O Geliebte! es findet doch eine wunderbare Wechselwirkung statt zwischen oben und unten, zwischen dem Herrn im Himmel und seiner Gemeinde hier auf Erden. Da wirkt der Herr durch sein Wort und sein Sakrament, durch seines heiligen Geistes Kraft auf uns, er läßt durch uns sein Wort ausgehen in der Mannigfaltigkeit der Zungen; in 354 Sprachen wird das Evangelium gegenwärtig verkündet; er schafft Buße und Glaube unter den Fernen und Fremden durch sein Evangelium, er