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     Umflöte, Nachtigall im Thal,
     Das Röslein, das zum erstenmal
Dem Falter öffnete den Schoß

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Und kostet’ aller Liebe Los

     Und glaubt an Liebe täglich neu,
     So oft du singst von Lieb’ und Treu’!


Du, oder Keine!

Keiner hat für dich geworben,
Nicht der Vater, noch die Mutter –
Nur der Lerche Morgentriller,
Den sie jubelt’ in die Mailuft,

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Nur der Quell, der silberklare,

Drin ich tränkte meinen Rappen,
Nur die leichtbeschwingte Taube,
Nur der Weg zu deiner Hütte,
Nur des Hirtenknaben Flöte,

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Die erschallt am Bergeshange,

Nur der Wind im Tann und Röhricht
Rief mir zu: Du, oder Keine!

Keiner hat für dich geworben,
Nicht der Vetter, noch die Muhme –

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Nur des Föhrenwaldes Rauschen,

Nur das Sehnen, das im Herzen
Wuchert wie im Feld das Unkraut,
Nur die taubenetzte Matte,
Drüber nachts die Nebel wallen,

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Nur der Purpurglanz der Sonne,

Die verglimmt im Niedergange,
Einen Abend, wie den andern,
Still mir folgend auf dem Fuße,
Rief mir zu: Du, oder Keine!

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Keiner hat für dich geworben,

Nicht die Nachbarn, noch die Freunde –
Nur des Mondlichts Silberschimmer
Und der Sterne Goldgeflimmer;
Keiner hat mir zugeredet,

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Keiner auf mein Wohl getrunken,

Noch von dir gebracht mir Kunde –
Nur die nächtlich stille Stunde,

Empfohlene Zitierweise:
Albert Weiß: Polnische Dichtung in deutschem Gewande. Otto Hendel, Halle a. d. S. 1891, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Albert_Weiss_-_Polnische_Dichtung_in_deutschem_Gewande.pdf/75&oldid=- (Version vom 21.8.2021)