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soll. – Ja, grade diese Kriegsjahre wirkten sogar mittelbar sehr wohlthätig für dieses Etablissement, da durch die Mobilmachung in den verschiedenen Staaten der Weberei sehr viele Arbeitskräfte entzogen wurden und daher viele Fabrikanten zur mechanischen Weberei übergehen mußten, die sich mit ihren Aufträgen nun hierher wendeten.

Das Geschäft selbst nimmt einen Theil der Fabrikgebäude ein, welche zu dem Complex der Benndorfschen Sächsischen-Maschinenbau-Werkstatt gehören und welche Räumlichkeiten von den Herren Schönherr und Seidler erpachtet sind. Ueber die günstige Lage dieser Industrie-Colonie und demnach auch des hier jetzt in Rede stehenden Etablissements ist schon oben das Nähere auseinander gesetzt worden.

Das von dieser Fabrik innegehabte Hauptgebäude ist 460 Fuß lang und befindet sich in der ersten Abtheilung die Eisengießerei mit einer Turbine von 8 Pferdekraft;

in einer zweiten Abtheilung finden wir Parterre zwei Turbinen, davon eine von 12, die andere von 8 Pferdekraft, welche zusammen arbeiten; es werden von diesen zwei Turbinen die in der Parterrelocalität aufgestellten Hilfsmaschinen, als Hobelmaschinen, Drehbänke, Bohrmaschinen, Cirkelsäge und noch andere in Activität gesetzt, während die Turbine in der Gießerei zum Betriebe von Ventilatoren und der Schleiferei dienen.

Im ersten Stock über der zweiten Abtheilung befindet sich die Schlosserei und der Raum zum Montiren der Maschinen

und im Dachsaale, der erst vor Kurzem etablirt worden ist, die Tischlerei.

In dem Nebengebäude seitwärts neben der oben erwähnten ersten Abtheilung des Hauptgebäudes treffen wir die Schmiede mit 12 Schmiedefeuern, die Schleiferei und die Polirapparate;

in dem Nebengebäude neben der zweiten Abtheilung des Hauptgebäudes sind die Comptoirlocalitäten und die Zeichnenzimmer, sowie die Niederlage fertiger Theile.

Die Haupterzeugnisse, welche aus dieser industriellen Anstalt hervorgehen, sind, noch einmal zusammengefaßt, demnach: die mechanischen Webestühle nach dem Schönherr’schen patentirten Systeme für Tuch, Croisé, Satin, Bukskin, Cassinet, Flanell, Thibet, Orleans, Damast, Drill, Leinen, Cattun u.s.w.; Kettenvorbereitungs-Apparate, Ketten- und Schuß-Spulmaschinen, sowie auch alle andern zur mechanischen Weberei erforderlichen Maschinen und Vorrichtungen.

Es sind die hieraus hervorgegangenen Maschinen bis jetzt gesandt worden: nach Oesterreich, Preußen, Rußland, Polen, Dänemark, Schweden, Norwegen, Belgien, Frankreich, Hannover, Baden, Württemberg, Baiern, Sachsen, nach der Schweiz und überhaupt nach allen Fabrikationsdistrikten, wo Weberei heimisch ist. Wegen Ausbeutung der Patente haben die Herren Schönherr & Seidler auch in Belgien ein und in Frankreich zwei Verkaufsetablissements oder Commanditen.

Die Zahl der Fabrikarbeiter beträgt gegenwärtig über 160 Mann, an Schmieden, Schlossern, Drehern, Tischlern, Eisenziehern, Webern und noch einigen andern Handarbeitern; hierzu kommen noch 4 Comptoiristen, ein Zeichner, zwei Reisende und ein Agent. Als Maschinenkräfte arbeiten darin: 52 Hilfsmaschinen, als: Hobelmaschinen, Drehbänke, Bohrmaschinen, Ventilatoren, Schleif- und Polir-Apparate etc. – Die Wasserkraft der vorhandenen drei Turbinen (zwei à 8 und eine à 12 Pferdekraft) beträgt zusammen 28 Pferdekraft. Diese reicht jedoch nicht mehr aus, und wird daher eine neue Dampfmaschine von 25 Pferdekraft gebaut, um damit die Triebkraft zu vermehren.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieses Etablissement ein sehr lebenskräftiges ist, dem noch eine sehr günstige und größere Zukunft bevorsteht, und gehört dasselbe unbestritten zu den wichtigsten und ruhmvollsten in ganz Deutschland, da es mit England kühn in Wettstreit getreten ist und namentlich bei einer Hauptforce desselben, der Maschinenweberei, durch seine Erfindungen mit großem Glück concurrirt!



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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/50&oldid=- (Version vom 7.1.2019)