Seite:Armenien und Europa. Eine Anklageschrift.pdf/269

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu billigen! (Laute Entrüstungsrufe.) Man scheine den höhnischen Versicherungen der Pforte, daß alles zum „Schutze“ der Armenier geschehen sei, in jener Sorte von Presse Glauben zu schenken. Das Maß sei voll: man könne nicht mehr schweigen zu dieser Schmach Europas. (Demonstrativer Beifall.) Man könne nicht mehr stillschweigend zuschauen den Greuelthaten in Armenien. Man müsse seine Stimme erheben und auch die milde Hand öffnen zur Linderung der Not. Papst Leo XIII. habe uns auch in dieser Hinsicht wieder ein leuchtendes Beispiel gegeben; dem wollen wir folgen und mit der Waffe des Gebetes und des Almosens der Not zu steuern suchen. (Stürmischer, anhaltender Beifall.)

Abg. Rechtsanwalt Karl Trimborn führte etwa folgendes aus: Welches Maß von Unterdrückung in den der Türkei unterstehenden christlichen Provinzen herrsche, sei hinlänglich bekannt. Nicht für die revolutionären Elemente in Armenien, welche ihre Unterthanenpflicht verletzt hätten, träten wir ein, sondern für jene große Masse der Unschuldigen, welche den Grausamkeiten ausgesetzt seien. Im höchsten Grade auffällig müsse es erscheinen, daß die offiziösen Telegramme die Greuelthaten lediglich als Folge der Bestrafung für Komplotte und Anschläge gegen die Pforte darzustellen suchten. Das sei aber nicht die Wahrheit, wie aus den Konsularberichten unwiderleglich hervorgehe, die ausdrücklich feststellten, daß es sich um eine blutige Metzelei unter der christlichen Bevölkerung handele. Nicht die Bestrafung geheimer Umtriebe bilde das Motiv der Verfolgung der Armenier, sondern teuflischer Christenhaß. Das sei unsere Ueberzeugung, die sich auf glaubwürdige Berichte stütze, und dieser unserer Ueberzeugung wollten wir laut Ausdruck verleihen. (Stürmischer Beifall.) Richteten sich doch die Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten nicht gegen Männer in Wehr und Waffen, sondern ebensowohl gegen wehrlose Frauen, Kinder und Greise; das habe doch mit der Bestrafung politischer Vergehen nichts zu thun. (Sehr wahr!) Angesichts dieser Greuelthaten dürften wir nicht unthätig dastehen, sondern müßten handeln. Zunächst müßten wir unserm tiefgefühlten Mitleid lauten Ausdruck geben; das Recht ließen wir uns nimmer nehmen, sei es doch unsere einfache Christenpflicht. Weiter müßten wir die in Armenien zur Zeit herrschende Not durch Almosen zu lindern suchen; da dürfe das christliche Volk nicht fehlen, und es müßte kein katholisches Herz mehr in Köln schlagen,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/269&oldid=- (Version vom 31.7.2018)