Compositionen nur gering ist und Professor Matthäis lange erwarteter Tod des Codrus auch diesmal noch nicht vor’s Auge des Publikums gebracht werden konnte, da dieser Meister durch einen neuen wichtigen Amtsberuf sehr bedrängt wurde, wir doch in zwei merkwürdigen Compositionen, die schauerliche Erscheinung des die Kinderwürgenden Todes von unserm Prof. Hartmann und den in feurige Andacht hingegossenen heiligen Nepomuk von unserm Prof. Vogel zwei Bilder sahen, die beide durch eine allgemeine Anzeige nicht abgefertigt werden können, da besonders das erstere zu so manchen selbst lächerlichen Mißverständnissen Anlaß gegeben hat, das letztere aber wegen der hier durchaus unerläßlichen obern Erscheinung in der Kapelle des Betenden bei der Beengung des Raums seine eigene Schwierigkeit hatte. Dabei möchten wir die wahren Freunde der Kunst auf manche sehr lobenswürdige Studien von Kunstjüngern, die sich rühmen können, Matthäis und Hartmanns Schüler zu seyn, besonders auf No. 317 und No. 103 aufmerksam machen. Dort hat Otto Schütz, ein Schüler Hartmanns in der heroischen Gruppe des in der Schlacht verwundeten Kriegers, den sein Waffengefährte beschirmt, eine geistreiche Anwendung von der berühmten Gruppe des Menelaus und Patroclus, wovon wir im Mengsischen Museum den unvergleichlichen Abguß besitzen, also eine lobenswürdige Nachbildung mit neuen Motiven in einem Oelgemälde versucht. Hier aber giebt ein wackerer Schüler Matthäis, D. Oesterley aus Göttingen, eine gelungene Zeichnung nach dem berühmten Torso des Athleten in unserm Antiken-Museum, mit der Restauration des Kopfes und rechten Arms, die nur unter der Leitung eines geübten Kennerauges so ausgeführt werden konnte. Auf diesem Wege allein kann das Studium nach Antiken in Gyps und Marmor der knechtischen Nachbildung entnommen, wahrhaft fruchtbar werden. Prof. Hartmann selbst hat in dem Löwentödter Hercules eine Actstellung des auch in diesen Blättern erwähnten Lebesnier in’s mythologische Leben, wie es die Antike gewährt, hervorgerufen. Nicht weniger lehrreich und verdienstlich dürften mit Gefühl gefertigte Nachzeichnungen nach Cartons seyn, wie dießmal nach Vogels schöner Vorstellung der Malerei im Saale zu Pillnitz von Zölen und nach Matthäis Codrus aufgestellt sind. Denn ohne daß vorher ein tüchtiger Carton gefertigt wird und der strengsten Foderung der Zeichnung volles Recht widerfährt, verflächt sich alle Geschichtmalerei in nebulistische Dunstgestalten und das Bild wird durch lauter Nachbesserungen und pentimenti ein wahrer Flicklappen. Und sind gute Cartons, wenn sie auch noch hundert Parasangen hinter denen von Hamptoncourt stehn, nicht bis zur heutigen Stunde mit Gold aufgewogen werden?
Es blicken, starren, liebäugeln, drohen, lächeln nahe an 50 Portraits von den innern und äußern Wänden dieser Ausstellung auf uns herab. Man will oft nur caricaturartige Aehnlichkeit um Spottpreise. Soll sich der Maler fügen? Was ist zu thun? Er hungre! Indeß haben doch Matthäi, Vogel, Rößler und einige jüngere Portraitmaler auch dießmal charakteristische Bilder geliefert und zur Genüge dargethan, daß, obgleich auf sehr verschiedenen Wegen, wovon Einer nur der rechte seyn kann, Lobenswürdiges auch in diesem Fache geliefert würde. Eine Gruppe von zwei Schwestern, die Arnold malte, abgerechnet, vermissen wir ganz die reichern Compositionen in Familiengemälden, die sich durch wohlersonnene Motiven am leichtesten zu historischen Portraits steigern lassen. Das ist die Bettelarmuth unserer Reichen, die nur für Gaumenlust und hoffärtiges Wesen noch Sinn und Geld haben!
Portraits, d. h. Prospecte und Naturansichten liefert denn auch die von der wunderschönen, uns umblühenden Natur vorzüglich begünstigte Landschaftmalerei, und wenn sie nur so aufgefaßt sind, wie z. B. in einem der kleinern Bilder vom Prof. Dahl, welches ein Bild aus der Dresdner Ebene vorstellt, wird auch dieß gepriesen. Prof. Friedrich gab uns in seiner gemüthvollen, mystischen Manier die Ueberreste einer alten Kapelle und – man erstarrt wirklich bei diesem Frost – das Eismeer. Manchem uns sehr liebgewordenen Landschafter möchten wir zurufen: weniger wäre mehr. Die beiden Faber, Hammer, Graff, Stamm u. s. w. haben auch dießmal ein jeder in der schon bekannten Manier mehr oder minder zahlreiche Spenden abgegeben. Unser Veteran Klengel fehlte nicht und steht noch immer seinen Mann. Es ließe sich von dem, was unsere jüngern Landschaftmaler vom Prebischthore herab bis zur Meißner Pflege abkonterfeit haben, ein vollzähliger
Karl August Böttiger und Johann Gottlob von Quandt: Die Dresdner Kunstausstellung (1824). Arnoldische Buchhandlung, Dresden 1824, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Artistisches_Notizenblatt_1824_Kunstausstellung_Dresden.djvu/3&oldid=- (Version vom 20.12.2024)