Seite:BaumannImGottesländchen.pdf/67

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

beim Dorfe. Am Abend gingen wir tief in ihn hinein. Dort wurde so manches herrliche Volkslied gesungen, das im schweigenden Fichtenwalde widerhallte. — 9. Juli. Erquickend war das Meerbad, angenehm der Aufenthalt am Strande im harzigen Fichtenwalde, wo viel Wachholder wuchs. Dünen waren hier fast gar keine vorhanden; erst weiterhin im Walde gab es kleine sich parallel dem Meere hinziehende Bodenerhebungen. Gar schwül wurde es um die Mittagszeit. Der Himmel war zum Teil bewölkt. Das Meer ruhte glatt und eben. In der Ferne zog sich der dunkle Wald längs dem hellen Ufer zum Kap Markgrafen hin, wo der weiße Leuchtturm hinter den Bäumen hervorblinkte. In der Mittagsglut ruhten im Ufersande Schafe, auf deren Rücken ungestört Krähen saßen, die in gefälliger Weise die friedlichen Tiere vom Ungeziefer befreiten. In der Nähe des Dorfes befanden sich 4 eisenhal­tige Quellen. Eine am Strande vor dem Dorfe lieferte den Bewohnern das nötige Wasser zum täglichen Gebrauch. — 10. Juli. Am Flüßchen, das auf steinigem Grunde durch Uppesgrihwe floß und ihm den Namen gab, lag hinter dem Dorfe im Walde ein Friedhof. Ein schlichter Holzzaun umgab ihn. Dort standen einige Trauerbirken, deren Zweige sich über die verfallenen, mit hohem Grase und Unkraute be­wachsenen Gräber ausbreiteten. Nur wenige von diesen wurden gepflegt. Mutter Natur war hier die Hüterin der Toten. Auch die Bewohner des Dorfes schienen noch echte Naturkin­der zu sein. Während sonst überall die Leute beim Familien­namen bekannt sind, wurden sie hier nach altväterlicher Sitte auch noch mit dem Vornamen benannt. So wandten wir uns, als ich die Absicht äußerte, mit einem Boote über das Meer­ nach Angern zu fahren, an einen Fischer, der „klibbais Anßis" (der lahme Hans) hieß. Angesichts der herrschenden Windstille riet er von der Fahrt ab. Als die Sonne am Abend unter­ging, kleidete sie die Wolkengebilde am Strande in ein buntes,

Empfohlene Zitierweise:
Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/67&oldid=- (Version vom 12.12.2020)