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welchen der Wassermann seine Wohnung hat. Die Leute haben ihn auch am Ufer gesehen: ein kleines Männlein in rotem Wamse. Und jedesmal, wenn er sich dort zeigt, ertrinkt bald jemand in der Spree.

21. Der Franziskanermönch in Budissin.

Im Jahre 1225, zu Zeiten des heiligen Franziskus von Assisi, lebte im Franziskanerkloster[WS 1] (seit 1598 Ruine) ein Mönch, der, entgegen seinem Gelübde der Armut, von seinem Erbteile einen kostbaren Ring, eine goldene Kette und ein mit Edelsteinen besetztes Kreuz verheimlicht hatte und diese Kleinodien in einem Sarge des Grabgewölbes verwahrte, dessen Schlüssel im Kloster hing. Von Zeit zu Zeit weidete er sich an seinem Schatze, verlor jedoch, bei einem solchen Besuche den Schlüssel, ohne es vor seiner Rückkehr ins Kloster zu bemerken. Sobald er nun seine Klosterbrüder in festem Schlaf wußte, nahm er eine Kerze, um den Schlüssel zu suchen. Er muß aber denselben nicht gefunden haben, denn noch im Jahre 1845 will man den Mönch mit seiner Kerze zur Nachtzeit bemerkt haben.

22. Der Schatz in der Budissiner Mönchskirche.

Am St. Michaelistage sollen zu Zeiten in den Fensterbrüstungen der halbverfallenen Mönchskirchen-Ruine[WS 2] ein großes goldenes Kreuz, sowie goldene Kelche und Leuchter sichtbar sein. Das erste Mal sah man sie bei der Geburt August II., Königs von Polen und Kurfürsten zu Sachsen, bei dessen Tode[WS 3], und vor Ausbruch des 7jährigen Krieges.

23. Der Feuersegen in der Mönchskirche.

Eine Zigeunerfamilie, deren Mutter krank war, hatte bei einem mitleidigen Insassen eines Hauses in der Mönchskirche Aufnahme und Pflege gefunden.[WS 4] Beim Abschiede sagte die Zigeunerin: „Liebe Leute! Wir sind arm und können euch nichts geben für eure Liebe und Güte. Ich will den Feuersegen über euer Haus sprechen, welcher 100 Jahre wirken soll. Sollte einmal ein Brand bei euch entstehen, so deckt nur schnell einen Kuchendeckel auf den Schornstein!” Darauf stieg die Zigeunerin auf das Dach und sprach dort die Formel. Trotzdem die Hütten innerhalb der Mönchskirche die feuergefährlichsten der ganzen Stadt waren, blieben sie doch über 100 Jahre vom Feuer verschont, so daß man in Bautzen sagte: „In der Mönchskirche brennt es nicht.” Nur ein einziges Mal geriet ein Teil eines Schindeldaches in Brand, die Flammen wurden jedoch schnell vermittelst eines Kuchendeckels ausgelöscht. Endlich muß aber doch der Feuersegen der Zigeunerin unwirksam geworden sein, denn am 10. Febr. 1894 wurden die armseligen Hütten innerhalb der Mönchskirche ein Raub der Flammen.

24. Der Totengottesdienst in der Taucherkirche zu Budissin.

Ein Bautzner Fleischer schritt spät an einem trüben Novemberabend an der Taucherkirche vor dem äußeren Reichentore vorüber und gewahrte in dem als Begräbniskirche benutzten Gotteshause Licht. Er betrat die Kirche, um sich die Predigt anzuhören und betete, den Hut vor das Gesicht haltend, ein Vaterunser. Als er näher zu einer unfern der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist das ehemalige Franziskanerkloster in der Altstadt von Bautzen, von dem nach einem Brand nur noch die Ruine der Klosterkirche erhalten ist.
  2. Gemeint ist die nach einem Brand erhaltene Ruine der Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters in der Altstadt von Bautzen.
  3. August der Starke starb am 1. Februar 1733 in Warschau.
  4. Nach dem Brand im Jahr 1598 ließen sich mittellose Bürger in den Kirchenruinen des Klosterbereiches des ehemaligen Franziskanerklosters in der Altstadt von Bautzen nieder und bauten sich einfachste Häuser, die sogenannte „Budenstadt“ bzw. Mönchskirchensiedlung.
Empfohlene Zitierweise:
: Bautzener Sagen. Verlag Johannes Vieweg, Leipzig 1924, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bautzener_Sagen.pdf/11&oldid=- (Version vom 1.10.2023)