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No 5. Den 17. Juli 1838.

Beethoven’s neunte Symphonie.
Eine Ansicht von H. Hirschbach.

Es herrscht über dieses Werk des großen Meisters solcher Meinungszwiespalt, daß eine kritische Besprechung nicht uninteressant sein möchte, um so mehr, da gedachte Symphonie nur selten zur Aufführung gebracht wird, und deshalb Gelegenheit zum Verständniß derselben durch öfteres Hören den Meisten unzugänglich ist. Durch einmaliges Vernehmen aber kann selbst der tiefer musikalisch Gebildete irre geleitet werden, und bei der Eitelkeit der Menschen, jedes Kunstwerk gleich verstanden haben zu wollen, bleibt der Künstler oft gänzlich mißverstanden und verkannt. Der gerade an Genie Reichste kann so für geistesarm, das kühn in sich Fest-Gegründete für unnatürlich und verzerrt gehalten werden, während dem blos seinem Genie folgenden Künstler noch ganz neue Welten unerhörter Erfindung sich zeigen, gegen welche er selbst seine bisherigen, den Kunstfreunden noch unbegreifliche Schöpfungen, für bloße Vorbereitungen und Versuche halten muß. – Dies war und wird stets das Schicksal großer Künstler sein, während die kleinen gerade die umgekehrte Laufbahn machen: erst überschätzt, dann zurückgesetzt zu werden. – Beethoven ist im Vergleich zu dem, was er geliefert, von der Welt bei seinem Leben gänzlich vernachlässigt worden, und wenn der große Künstler den Lohn und den Drang zu immer neuen Schöpfungen nicht in sich fände, wahrlich, sein Zustand wäre bedauernswerther, als der des gemeinen Handwerkers [/] gewesen. – Mit welchen Gefühlen muß nun zehn Jahre nach dem Tode des jetzt von so Vielen geliebten Meisters eine Kritik über seine letzte, von ihm in tiefem Seelenergriffensein und zugleich schmerzlichster Dürftigkeit geschriebene Symphonie abgefaßt werden, besonders gar, wenn dieselbe, des Strebens entgegengesetzter Meinungen wegen, kalt und herzlos die Blätter des geheimen Buches auseinanderzufalten und zu entziffern hat. Aber eben, weil des ächten Künstlers ganzes Wesen und Streben nur Wahrheit ist, darum kann auch die Wahrheit über ein Werk von ihm sein Andenken nicht kränken, sondern nur zeigen, wie weit er sich über die Gewöhnlichkeit erhoben; sein Großes wird klar hervortreten, und das Mißlungene als nicht ganz von ihm abhängig sich darthun. –

Zur Symphonie selbst.

Der erste Satz beginnt damit, daß unter fortwährendem leisen Tremuliren von 2ter Violine und Cello auf A-Moll, und dem Aushalten der Hörner, denen sich später nach und nach die höheren Blaseinstrumente zugesellen, die Anfangsfigur des Themas leise abwechselnd von 1ster Violine, Bratsche und Baß angegeben wird.

[WS 1]

Das Orchester steigert sich immer mehr, sowohl durch

Anmerkungen (Wikisource)


  1. In seinem Notenbeispiel fasst Hirschbach die Tremoli von Violinen II und Violoncelli der Takte 2–4 zusammen. Auffällig bei Beethoven ist das ausnotierte Tremolo: im Original als zwölf 6tolen über zwei punktierten Vierteln im 2/4-Takt notiert – nicht wie bei Hirschbach als 16tel-Tremolo über Halben. Vor der letzten Viertel fehlt ein Taktstrich (die Viertelnote a in Violen und Kontrabässen fällt also auf den ersten Schlag des nächsten Taktes). Commons