täglich zum kleinen Rudolf von seinem Vater zu sprechen, und in seinem Abendgebet mußte das Kind stets sagen: „Gott, laß mich gut und brav sein, meinem geliebten Vater Arno zu Liebe!“
Meine Schwestern und ich „amüsierten“ uns köstlich – ich gewiß nicht minder als sie. Es war ja sozusagen auch mein Debut in der Welt. Das erste Mal war ich als Braut und Neuvermählte eingeführt worden; da hatten sich selbstverständlich alle Kurmacher von mir fern gehalten, und was ist des „Welt“-Lebens höchster Reiz, wenn nicht die Kurmacher? Aber sonderbar! so sehr es mir behagte, von einer Schar von Anbetern umgeben zu sein, keiner von ihnen machte einen tieferen Eindruck auf mich. Es lag eine Schranke zwischen ihnen und mir, die schier unübersteiglich war. Und diese Schranke hatte sich durch die drei Jahre meines einsamen Studierens und Denkens aufgerichtet. Alle diese glänzenden jungen Herren, deren Lebensinteressen in Sport, Spiel, Ballet, Hofklatsch und, wenn es hoch ging, in Berufsehrgeiz (die meisten waren Militärs) gipfelten, die hatten von den Dingen, die ich in meinen Büchern von ferne erschaut und an denen mein Geist sich gelabt, auch nicht die entfernteste Idee. Jene Sprache, von der ich freilich auch nur Anfangsgründe kennen gelernt, von der ich aber wußte, daß in ihr durch die Männer der Wissenschaft die höchsten Fragen beraten und einst gelöst werden; jene Sprache war ihnen nicht nur „spanisch“, sondern – patagonisch.
Unter dieser Kategorie junger Leute würde ich
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/080&oldid=- (Version vom 31.7.2018)