„Sie scheinen überhaupt der Gesellschaft sich fern zu halten – man sieht Sie nirgends. Sie sind ein Menschenfeind? … Doch nein, diese Frage nehme ich zurück. Aus manchem, was Sie sagten, habe ich herausgehört, daß Sie alle Menschen lieben.“
„Die Menschheit liebe ich, aber alle Menschen? – Nein. Es gibt zu viele nichtswürdige, bornierte, selbstsüchtige, kaltblütig grausame darunter – die kann ich nicht lieben, wenngleich ich sie bedaure, daß ihnen Erziehung und Umstände nicht gestattet haben, liebenswert zu sein.“
„Umstände und Erziehung? Der Charakter hängt doch hauptsächlich von den angeborenen Anlagen ab – meinen Sie nicht?“
„Was Sie angeborene Anlagen nennen, sind doch weiter nichts als auch Umstände, ererbte Umstände.“
„Dann sind Sie der Ansicht, daß ein schlechter Mensch an seiner Schlechtigkeit unschuldig und darum nicht zu verabscheuen sei?“
„Der Nachsatz ist durch den Vordersatz nicht bedingt: unschuldig wohl – aber dennoch zu verabscheuen. Sie sind an Ihrer Schönheit auch unschuldig und darum doch bewunderungswürdig.“
„Baron Tilling! Wir haben angefangen, als zwei vernünftige Leute ernste Dinge zu sprechen – verdiene ich da, plötzlich als komplimentensüchtige Salondame behandelt zu werden?“
„Verzeihen Sie mir – so war es nicht gemeint. Ich habe nur das mir zunächst liegende Argument gebraucht.“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/110&oldid=- (Version vom 31.7.2018)