Baron Tilling: warum haben Sie nach Ihrem ersten Besuche den Weg in mein Haus vergessen?“
„Sie hatten mich nicht aufgefordert, wiederzukommen.“
„Ich teilte Ihnen doch mit, daß an Samstagen –“
„Ja, ja, zwischen Zwei und Vier … Das dürfen Sie mir nicht zumuten, Gräfin. Aufrichtig: ich kenne nichts Schrecklicheres, als diese offiziellen Empfangstage. In einen mit fremden Leuten angefüllten Salon eintreten; – sich vor der Hausfrau verbeugen; – am äußersten Ende eines Halbkreises Platz nehmen; – Bemerkungen über das Wetter austauschen hören und, wenn man zufällig neben einen Bekannten zu sitzen kam, eine eigene Bemerkung hinzufügen; – von der Hausfrau über alle Hindernisse weg mit einer Frage ausgezeichnet zu werden, die man eifrigst beantwortet, hoffend, daß sich nun mit derjenigen, die man besuchen wollte, ein Gespräch entspinnen werde – vergebens: soeben tritt wieder ein anderer Gast ein, der begrüßt werden muß und der sich hierauf auf das nächste leere Plätzchen des Halbkreises niederläßt und – in der Meinung, das Thema sei noch nicht berührt worden – eine neue Bemerkung über das Wetter in Umlauf bringt; dann nach zehn Minuten – wenn abermals Besuchsverstärkung kommt, womöglich eine Mama mit vier heiratsfähigen Töchtern, für die nicht genug Sessel mehr frei wären – im Verein mit einigen anderen aufstehen, von der Hausfrau sich empfehlen und gehen … nein, Gräfin, so etwas übersteigt meine ohnehin nur schwachen geselligen Fähigkeiten.“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/109&oldid=- (Version vom 31.7.2018)