Gegen acht Uhr brachen sämtliche Gäste auf. Mein Vater wollte sie noch alle zurückhalten und auch ich murmelte verbindlich ein paar gastliche Phrasen, wie „Doch wenigstens noch eine Tasse Thee?“ aber vergebens. Jeder brachte eine Entschuldigung vor: der eine wurde im Kasino, der andere in einer Soirée erwartet; eine der Damen hatte ihren Logentag in der Oper und wollte den vierten Akt der Hugenotten hören; die zweite erwartete noch Gäste bei sich; kurz, man mußte sie – und nicht so ungern als es den Anschein hatte – ziehen lassen.
Tilling und Doktor Bresser, die sich gleichzeitig mit den anderen erhoben hatten, empfahlen sich zuletzt.
„Und was haben Sie beide noch Wichtiges vor?“ fragte mein Vater.
„Ich eigentlich nichts,“ antwortete Tilling lächelnd; „da aber sämtliche Gäste sich entfernen, wäre es unbescheiden –“
„Dasselbe gilt von mir,“ fiel der Doktor ein.
„Nun, dann lasse ich keinen von beiden fort.“
Ein paar Minuten später hatten mein Vater und der Doktor am Spieltisch Platz genommen und vertieften sich in eine Partie Piket, während Baron Tilling sich an meine Seite zum Kamin setzte. – „Eine „einschläfernde Geschichte“ dieses Diner? – Nein, wahrlich, angenehmer und anregender hätte sich mir kein Abend gestalten können –“ flog es mir durch den Sinn, und laut:
„Eigentlich sollte ich Ihnen Vorwürfe machen,
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)