schauderhafte Gesichte gehabt – Friedrich – lebend unter einem Haufen von Menschen und Pferdeleichen verschüttet – stellte sich sogar ein Rückfall ein, der mein Leben neuerdings in Gefahr brachte. Die arme Tante Marie hatte ein schweres Amt. Sie hielt es für ihre Pflicht, mir unablässig Trost und Ergebung zuzusprechen und ihre Gründe – namentlich die immer wiederkehrende „Bestimmung“ hatten die Wirkung, mich aufs höchste aufzubringen; und statt sie ruhig predigen zu lassen, ließ ich mich zu leidenschaftlichem Widersprechen, zu auflehnenden Klagen gegen das Geschick, zu unumwundenem Versichern hinreißen, daß mir ihre „Bestimmung“ als ein Unsinn erschiene. Das Alles klang natürlich lästerlich, und die gute Tante fühlte sich nicht allein persönlich verletzt, sondern zitterte auch für meine rebellische, jetzt vielleicht so bald vor den ewigen Richterstuhl gerufene Seele …
Nur ein Mittel gab es, mich für einige Momente zu beruhigen. Das war, wenn man mir den kleinen Rudolf ins Zimmer brachte. „Du mein geliebtes Kind – Du mein Trost, meine Stütze, meine Zukunft!“ … so rief ich den Kleinen in meinem Innern an, wenn ich ihn erblickte. Er blieb aber nicht gern in dem traurigen, verhängten Krankenzimmer. Es war ihm wohl unheimlich, seine sonst so lustige Mama jetzt unaufhörlich im Bette liegen zu sehen, verweint und blaß. Er wurde selber ganz niedergeschlagen, und so behielt ich ihn immer nur für kurze Augenblicke bei mir.
Von meinem Vater kamen häufig Anfragen und Nachrichten. Er hatte an Friedrichs Obersten und
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/239&oldid=- (Version vom 31.7.2018)