noch an mehrere Andere geschrieben, doch „noch keine Antwort erhalten“. Wenn eine Verlustliste eintraf, schickte er eine Depesche an mich:
„Friedrich nicht dabei.“
„Ob ihr mich nicht vielleicht betrügt?“ fragte ich einmal die Tante. „Ob nicht schon längst die Todesnachricht da ist – und ihr sie mir verhehlet?“
„Ich schwöre Dir …“
„Bei Deinem Glauben? bei Deiner Seele?“ …
„Bei meiner Seele.“
Solche Versicherung that mir unsäglich wohl, denn mit aller Macht klammerte ich mich an meine Hoffnung … Stündlich erwartete ich das Eintreffen eines Briefes, einer Depesche. Bei jedem Lärm im Nebenzimmer stellte ich mir vor, daß es der Bote sei; fast beständig waren meine Blicke zur Thür gerichtet, mit der beharrlichen Vorstellung, daß einer da eintreten müsse, die beglückende Botschaft in der Hand … Wenn ich auf jene Tage zurückschaue, so liegen sie wie ein langes, qualgefülltes Jahr in meiner Erinnerung. Der nächste Lichtblick war mir die Nachricht, daß abermals ein Waffenstillstand geschlossen worden sei – das bedeutete diesmal wohl den Frieden. An dem Tage nach dem Eintreffen dieser Neuigkeit stand ich zum erstenmale ein wenig auf. Der Friede! Welch ein süßer, wohliger Gedanke … Vielleicht zu spät für mich! … Gleichviel: ich fühlte mich doch unsäglich beruhigt: wenigstens brauchte ich mir nicht mehr täglich, stündlich den tosenden Kampf vorzustellen, von welchem Friedrich vielleicht gerade umgeben war …
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/240&oldid=- (Version vom 31.7.2018)