Kriegsmiscellen mehr sind. Sein Auditorium war entzückt davon; mein Vater lauschte mit Genugthuung, Otto mit Bewunderung, die Generäle mit sachverständiger Wichtigkeit. Nur ich konnte an dieser trockenen Erzählungsweise keinen Geschmack finden; ich wußte, daß dieselbe eine ganze Welt von Gefühlen und Gedanken verschwieg, welche die berichteten Dinge in des Erzählers Seelengrund geweckt hatten. Als ich ihm einst unter vier Augen darüber einen Vorwurf machte, entgegnete er:
„Falschheit? Unaufrichtigkeit? Mangel an Meinungsmut? Nein, liebes Kind, Du irrst – bloße Anständigkeit ist es. Erinnerst Du Dich unserer Hochzeitsreise, – unserer Abfahrt von Wien, das erste Alleinsein im Waggon – die Nacht im prager Hotel? Hast Du die Einzelheiten jener Stunden jemals hier erzählt – und jemals Deinen Freunden und Verwandten die Gefühle und Regungen dieser Rosenzeit geschildert?“
„Nein, gewiß nicht … von solchen Dingen schweigt wohl jede Frau …“
„Nun siehst Du, es gibt auch Dinge, von welchen jeder Mann zu schweigen pflegt. Ihr dürft von Euren Liebesfreuden nichts berichten; wir nichts von unseren Kriegsleiden. Ersteres könnte Eure Haupttugend – die Keuschheit – bloßstellen; letzteres die unsere – den Mut. Die Wonnen der Flitterwochen und die Schrecken des Schlachtfeldes: davon kann doch in gesitteter Gesellschaft kein ‚weibliches‘ Weib, kein ‚männlicher‘ Mann etwas erzählen. Wie? Du hättest in
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 1, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/248&oldid=- (Version vom 31.7.2018)