lachen Sie aus ob Ihres gutmütigen Vertrauens, Sie arme, verblendete Frau. Ich habe meine Gründe, den Beiden die Maske vom Gesicht zu reißen. Nicht aus Wohlwollen für Sie handle ich da, denn ich kann mir denken, daß diese Entlarvung zweier geliebter Wesen Ihnen eher Schmerz als Gewinn bringen wird – aber ich bin Ihnen nicht wohlwollend gesinnt. Vielleicht bin ich sogar ein verstoßener Anbeter, der sich rächt … Was liegt am Motiv? Die Thatsache ist da, und wenn Sie Beweise wollen, so kann ich Ihnen dieselben liefern. Ohne Beweise würden Sie einem anonymen Brief ohnehin keinen Glauben schenken. Beifolgendes Billet hat Gräfin Gr*** verloren.“
Diese überraschende Epistel lag eines schönen Frühlingsmorgen auf unserem Frühstückstisch. Friedrich saß mir gegenüber, mit seiner Post beschäftigt, während ich Obiges las und zehnmal wiederlas. Das dem verräterischen Schreiben beigelegte Billet war in einen Extra-Umschlag verschlossen und ich zögerte, denselben aufzureißen.
Ich schaute zu Friedrich auf. Er war in ein Morgenblatt vertieft, doch mußte er meinen auf ihn gerichteten Blick gefühlt haben, denn er ließ die Zeitung sinken und mit seinem gewohnten lieben, lächelnden Ausdruck wandte er den Kopf zu mir:
„Nun, was gibt’s, Martha? Warum starrst Du mich so an?“
„Ich möchte wissen, ob Du mich noch lieb hast?“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 1, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/269&oldid=- (Version vom 31.7.2018)