Auf diese Note antwortet Preußen unterm 15. April, daß die Anschuldigung unwahr sei; es müsse aber dabei beharren, daß Österreich wirklich an den Grenzen gerüstet habe; dadurch sei die eigene Gegenrüstung gerechtfertigt. Ist es Österreich mit dem Nichtangreifen Ernst, so solle es zuerst abrüsten.
Hierauf das wiener Kabinett: Wir wollen am 23. dss. abrüsten, wenn Preußen verspricht, am folgenden Tage dasselbe zu thun.
Preußen erklärt sich bereit.
Welch ein Aufatmen! So wird denn trotz aller drohenden Anzeichen der Friede erhalten bleiben! Diese Wendung verzeichnete ich freudig in die roten Hefte.
Aber zu früh. Neue Verwickelungen stellen sich ein. Österreich erklärt, es könne nur im Norden, nicht aber zugleich im Süden abrüsten, denn dort sei es von Italien bedroht.
Darauf Preußen: Wenn Österreich nicht ganz abrüstet, so wollen wir auch gerüstet bleiben.
Jetzt läßt sich Italien vernehmen: Es wäre ihm nicht im entferntesten eingefallen, Österreich anzugreifen, aber nach dessen letzter Erklärung werde es allerdings Gegenrüstungen machen.
Und so wird das hübsche Defensivlied nunmehr dreistimmig gesungen.
Ich lasse mich von dieser Melodie wieder einigermaßen in Ruhe lullen. Nach solchen lauten und wiederholten Versicherungen kann doch keiner angreifen, und ohne daß einer angreife, gibt es keinen Krieg.
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 1, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/305&oldid=- (Version vom 31.7.2018)