Ich fange auch schon an, mit ihm zu reden, wie mit einem Vernünftigen, und dafür ist er mir dankbar. Ich meinerseits bin ihm dankbar für die Liebe, die er Dir weiht. Es ist so selten, daß Kinder ihre Stiefeltern gut leiden mögen, freilich ist an Dir auch nichts Stiefväterliches – Du könntest mit einem eigenen Jungen nicht zärtlicher, nicht gütiger sein, Du mein Zärtlicher, Gütiger! Ja die Güte – die große, weiche, milde – die ist Deines Wesens Grundlage und – wie sagt der Dichter? – so wie der Himmel aus einem einzigen großen Saphir sich wölbt, so formt sich eines edlen Menschen Charaktergröße nur aus einer Tugend – der Güte. Mit anderen Worten: ich lieb’ Dich, Friedrich! Das ist ja doch immer der Refrain Alles dessen, was ich von Dir und Deinen Eigenschaften denke. So vertrauensvoll, so zuversichtlich lieb’ ich Dich – ich ruhe in Dir, Friedrich, warm und sanft … Wenn ich Dich habe – versteht sich. Jetzt, da Du mir wieder entrissen bist, ist’s mit meiner Ruhe natürlich aus. Ach, wäre der Sturm nur schon vorbei, vorbei – wäret ihr doch in Berlin, um dem König Wilhelm die Friedensbedingungen zu diktieren! Mein Vater ist nämlich fest überzeugt, daß dies des Feldzugs Ende sein wird, und nach Allem, was man hört und liest, muß ich es wohl auch glauben. „Sobald, mit Gottes Hilfe, der Feind geschlagen ist“ – so lautete ja Benedeks Aufruf – „werden wir ihn auf dem Fuße verfolgen und ihr werdet in Feindesland euch ausrasten und diejenigen Erholungen“ und so
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/024&oldid=- (Version vom 31.7.2018)