Stürzen der Mauern. Es schlägt eine Granate in ein Haus und der durch das Platzen derselben verursachte Luftdruck ist so gewaltig, daß mehrere Soldaten von den in die Luft geschleuderten Trümmern des Hauses verwundet werden. Über meinen Kopf weg fliegt ein Fenster – noch mit dem Fensterflügel dran. Die Schornsteine stürzen herunter. Gypsbewurf löst sich in Staub und füllt die Luft mit einer erstickenden, augenätzenden Wolke. Aus einer Gasse in die andere (wie die Hufe auf dem spitzen Pflaster klappern!) wälzt sich der Kampf und langt auf dem Marktplatz an. In der Mitte des Platzes steht eine hohe, steinerne Mariensäule. Die Mutter Gottes hält ihr Kind in einem Arm, den anderen streckt sie segnend aus. Hier wird weiter gerungen. Mann an Mann. Sie hauen auf mich drein – ich haue um mich herum … Ob ich Einen oder Mehrere getroffen, ich weiß es nicht: in solchen Augenblicken bleibt einem nicht viel Besinnung. Dennoch haben sich mir wieder zwei Fälle in die Seele photographiert, und ich fürchte, der Marktplatz von Saar wird mir ewig unvergeßlich bleiben:
Ein preußischer Dragoner, stark wie Goliath, reißt einen unserer Offiziere (einen schmucken, schmächtigen Lieutenant – wie viel Mädchen schwärmten wohl für ihn?) aus dem Sattel und zerschmettert ihm den Schädel am Fuß der Madonnensäule. Die milde Heilige schaut unbeweglich zu. Ein Anderer von den feindlichen Dragonern, ebenso goliathstark, knapp vor mir, faßt meinen Nebenmann an und biegt ihn so kräftig im
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/047&oldid=- (Version vom 31.7.2018)