Starrkrampf tritt bei Verwundungen häufig auf. Manch zufällig Errettete haben von der Gefahr des Lebendig-begraben-werdens, der sie entronnen, erzählt. Aber wie Viele giebt es derer, die nichts erzählen konnten? Wenn man einmal ein paar Fuß Erde über dem Mund liegen hat, so muß man den Mund wohl halten.“ …
O mein Friedrich, mein Friedrich! stöhnte es in meiner Seele.
„Das ist das Bild des nächsten Morgens,“ schloß der Regimentsarzt. „Soll ich noch weiter erzählen, was den nächsten Abend geschieht? Da wird –“
„Das will ich Ihnen sagen, Herr Doktor,“ unterbrach ich. „In eine von den beiden Hauptstädten der beteiligten Reiche ist die telegraphische Nachricht des glorreichen Sieges angelangt. Da wurde vormittags – während des Hyänentanzes um die Gruben – in den Kirchen „Nun danket Alle Gott“ gesungen und abends – da stellt die Mutter, oder das Weib eines lebendig Begrabenen ein paar brennende Kerzen auf den Fenstersims, denn die Stadt wird beleuchtet.“
„Ja, gnädige Frau, diese Komödie wird zu Hause aufgeführt. Indessen, auf dem Schlachtfeld selber ist mit dem zweiten Sonnenuntergang die Tragödie noch lange nicht abgespielt. Außer Denjenigen, welche in die Lazarethe und in die Gräber untergebracht worden, gibt es noch die Ungefundenen. Hinter dichtem Gebüsch, in hohen Ährenfeldern, oder zwischen Bautrümmern verborgen, sind sie den Blicken der Krankenträger und Totengräber entgangen. Für jene Unglücklichen beginnt
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/070&oldid=- (Version vom 31.7.2018)