da, nach so langen Leiden, vielleicht zum Regiment zurück, vielleicht zum Friedhof … Mir ward so leid, so leid, so schrecklich leid um die armen Teufel! – ich hätte zu jedem Einzelnen hinknien wollen und ihm Worte des Mitgefühls zuflüstern. Aber der Doktor ließ mich nicht. Wenn wir an einer Station ausstiegen, nahm er mich am Arm und führte mich in das Büreau des Stationschefs. Hierher brachte er mir Wein oder sonst eine Erfrischung.
Die Schwestern walteten auch schon hier ihres barmherzigen Amtes. Sie reichten den Verwundeten an Trank und Speise, was nur aufzutreiben war: aber öfters gab es nichts, die Vorräte in den Restaurationen waren zumeist erschöpft. Dieses Getriebe auf den Bahnhöfen, namentlich auf den größeren, machte mir einen sinnverwirrenden Eindruck; es schien mir wie „ein böser Traum“. Dieses Hin- und Herrennen, dieses wüste Durcheinander – abmarschbereite Truppen – Flüchtlinge – Krankenträger – Haufen blutender und wimmernder Soldaten – schluchzende, händeringende Frauen –; Geschrei, barsche Kommandorufe – überall Gedränge, nirgends ein freier Durchgang – aufgeschichtetes Gepäck, Kriegsmaterial, Kanonen, abseits Pferde und brüllendes Hornvieh – dazwischen das unausgesetzte Geläute des Telegraphen – durchfahrende Züge, welche mit aus Wien anlangender Reserve vollgefüllt – vielmehr vollgepfropft – sind … Nicht anders waren diese Soldaten in den Wagen dritter und vierter Klasse – ja in Last- und Viehwaggons – untergebracht, nicht anders wie Schlachtvieh.
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/073&oldid=- (Version vom 31.7.2018)