schwer, durch den hilflosen Zustand, den Mangel an Pflege und Nahrung waren dieselben hoffnungslos geworden; fast Alle waren brandig. Zerschossene Glieder bildeten nur noch faulende Fleischstücke, Gesichter nur noch eine mit Schmutz bedeckte, zerronnene Blutmasse, in welcher eine unförmliche schwarze Öffnung den Mund vorstellte, welchem gräßliche Töne entquollen. Die fortschreitende Verwesung trennte ganze abgestorbene Teile von diesen elenden Körpern. Lebendige liegen neben Toten gebettet, die in Fäulnis überzugehen beginnen und für welche die Würmer sich rüsten.
Diese sechzig Menschen, so wie der größte Teil der Übrigen, lagen seit einer Woche auf derselben Stelle. Ihre Wunden waren entweder gar nicht, oder nur in unzureichender Weise verbunden worden; seit dem Tage der Schlacht lagen sie, unfähig sich von der Stelle zu bewegen, nur mangelhaft genährt, ohne hinreichendes Wasser. Unter sich ein durch Blut und Unrat verfaulendes Lager, so verbrachten sie acht Tage! Lebendige Leichname, durch deren zuckende Glieder eine vergiftete Blutwelle nur noch träge ihren Umlauf vollendet. Sie hatten noch nicht sterben können, und doch – wie durften sie erwarten, je wieder lebendig zu werden? Was ist dabei des Staunens werter“ – beschloß Frau Simon diesen Bericht – „die unendliche Lebenskraft der menschlichen Natur, welche das erduldet und noch zu atmen vermag, oder der Mangel an zureichender Hilfe?“
Das Staunenswerteste ist – will mich bedünken – daß Menschen einander in solche Lage bringen, –
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/097&oldid=- (Version vom 31.7.2018)