einige Überwindung kosten, aber er führte seine Rolle mit musterhafter Courtoisie durch. Der niedergeschlagenste war Otto. Seinem in der letzten Zeit genährten Preußenhaß, seiner Sehnsucht, den Feind aus dem Land zu jagen, ging es sichtlich gegen den Strich, diesem selben Feind nun höflichst Pfeffer und Salz hinüberreichen zu müssen, statt ihn mit dem Bajonett durchbohren zu dürfen. Dem Thema Krieg wurde im Gespräch sorgfältig ausgewichen; die Fremden wurden von uns behandelt, als wären sie unsere Gegend zufällig besuchende Vergnügungsreisende, und sie selber vermieden es noch ängstlicher, auf die Sachlage – daß sie nämlich als unsere Überwinder hier hausten – anzuspielen. Mein junger Lieutenant versuchte sogar recht angelegentlich, mir den Hof zu machen. Er schwor auf Ehre und auf Taille, daß es nirgends so gemütlich sei, wie in Österreich, und daß daselbst (mit seitwärts abgeschossenem Zündnadelblick) die reizendsten Frauen der Welt zu finden seien. Ich leugne nicht, daß ich mit dem schmucken Marssohne auch ein wenig kokettierte; es geschah, um der Lori Griesbach und ihrem Nachbar zu zeigen, daß ich gegebenen Falles mich einigermaßen rächen könnte … aber der da drüben blieb ebenso ruhig – wie ich es im Grunde meines Herzens eigentlich auch war. Vernünftiger und zweckmäßiger wäre es jedenfalls gewesen, wenn mein „schneidiger“ Lieutenant seine mörderischen Augengeschosse auf die schöne Lori gezielt hätte. Konrad und Lilli, in ihrer Eigenschaft als Verlobte (solche Leute sollte man eigentlich immer hinter Gitter setzen),
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/143&oldid=- (Version vom 31.7.2018)