obschon es keinen Sinn hat, ebensowenig Sinn, als wollte Einer sagen: „Ich hasse den Wein als Getränk, aber jeden Tropfen verschlucke ich gern“ – doch vernünftig braucht ja eine landläufige Phrase nicht zu sein – im Gegenteil) sei es, daß der Ehrgeiz die Oberhand gewann und eine Verbindung mit dem fürstlichen Hause Reuß ihm schmeichelte; sei es endlich, daß die so romantisch geäußerte, plötzliche Liebe der jungen Leute ihn rührte: kurz, er sprach ein ziemlich bereitwilliges Ja. Weniger einverstanden war Tante Marie. „Unmöglich!“ war ihr erster Ausruf. „Der Prinz ist ja lutherischer Konfession.“ Aber schließlich tröstete sie sich mit der Aussicht, daß Rosa ihren Gatten wahrscheinlich bekehren werde. Im Herzen Ottos grollte es am tiefsten. „Wie, wollt ihr,“ sprach er, „wenn wieder Krieg ausbricht, daß ich meinen Schwager aus dem Land verjage?“ Aber auch ihm wurde die famose Theorie von dem Unterschiede zwischen Nation und Individuum erläutert und – zu meinem Staunen, denn ich habe sie nie begriffen – er begriff sie.
Wie schnell und leicht man doch unter freudigen Umständen das durchgemachte Elend vergißt! Zwei Liebespaare – oder, ich kann es kühnlich sagen, drei, denn Friedrich und ich, die Vermählten, schwärmten nicht viel weniger füreinander, als die Verlobten – also so viele Liebespaare in der kleinen Gesellschaft, das ergab doch eine glücksgehobene Stimmung. Schloß Grumitz war in den folgenden paar Tagen eine Stätte der Heiterkeit und Lebenslust. Allmählich fühlte auch
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/147&oldid=- (Version vom 31.7.2018)