Bräute fielen auf die an sie gerichteten Liebesbriefe her – ich blätterte in den Zeitungen. Aus Wien die Nachricht:
- „Die Cholera-Sterbefälle mehren sich bedenklich; nicht nur in den Militär- auch in den Civilspitälern sind schon viele Erkrankungen signalisiert, die als echte cholera asiatica bezeichnet werden müssen, und die energischsten Maßregeln werden allenthalben ergriffen, um der Verbreitung der Epidemie zu steuern.“
Ich wollte die Stelle laut vorlesen, als Tante Marie, welche den Brief einer Freundin aus einem Nachbarschlosse in Händen hielt, erschreckt aufschrie:
„Entsetzlich! Betti schreibt mir, daß in ihrem Hause zwei Personen an der Cholera gestorben sind und jetzt auch ihr Mann erkrankt sei.“
„Excellenz, der Lehrer wünscht zu sprechen.“
Hinter dem Diener trat auch schon der Gemeldete heran. Er sah bleich und verstört aus:
„Herr Graf, ich zeige ergebenst an, daß ich die Schule schließen muß. Gestern sind zwei Kinder erkrankt und heute – gestorben.
„Die Cholera?“ riefen wir.
„Ich denke wohl … wir müssen’s beim Namen nennen. Die sogenannte „Ruhr“, welche unter den Soldaten, die hier einquartiert wurden, ausbrach und der schon zwanzig Mann erlegen sind – es war die Cholera. Im Dorf herrscht großer Schrecken, denn der Doktor, der aus der Stadt hierher gekommen, hat unverhohlen gesagt, daß die schreckliche Krankheit nunmehr zweifellos die hiesige Bevölkerung ergriffen hat.“
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/153&oldid=- (Version vom 31.7.2018)