Laß im Traum das Leben dich umwimmern,
Ist es denn so lockend, sich mit Trümmern
In die Weltgeschichte einzubauen?“
Leider ja, es ist verlockend, so lang die Weltgeschichte – das heißt Diejenigen, welche sie schreiben – die Heldenstandbilder aus Kriegstrümmern aufbauen, so lang sie den Titanen des Völkermordes Kränze reichen. Auf den Lorbeerkranz verzichten, dem Ruhme entsagen, wäre edel – meint der Dichter? Erst werde das Ding, auf das zu verzichten so wohlthätig erschiene, seines Nimbus entkleidet und kein Ehrgeiziger wird mehr darnach greifen.
Es dämmerte schon, als wir in Chlum ankamen und von da, Arm in Arm, in schweigendem Schauer, dem nahen Schlachtfelde zuschritten. Es fiel ein mit ganz kleinen Schneeflocken gemischter Nebel und die kahlen Äste der Bäume bogen sich unter dem schrill klagenden Pfeifen eines kalten Novemberwindes. Massen von Gräbern und Massengräber rings umher. Aber ein Friedhof? Nein. Da hatte man keine müden Lebenspilger zur Ruhe friedlich hingebettet, da wurden mitten in ihrem jugendlichen Lebensfeuer, in ihrer vollsten Manneskraft strotzende Zukunftsanwärter gewaltsam niedergeworfen und mit Grabeserde überschaufelt. Verschüttet, erstickt, auf ewig stumm gemacht – alle die brechenden Herzen, die blutig zerfetzten Glieder, die bitterlich weinenden Augen – die wilden Verzweiflungsschreie, die vergeblichen Gebete …
Einsam war es auf diesem Kriegsacker nicht.
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/174&oldid=- (Version vom 31.7.2018)