bemächtigt ist, den Feind an Leib und Leben zu schädigen –“
„Allerdings, Herr Konsistorialrat, dieser Widerspruch scheint mir unlöslich. Es kommt auch noch das ausdrückliche Gebot des Dekalogs hinzu: „Du sollst nicht töten.“
„Nun ja – auf der Oberfläche beurteilt, liegt hierin eine Schwierigkeit; aber wenn man in die Tiefe dringt, so schwinden die Zweifel. Was das fünfte Gebot anbelangt, so würde es richtiger heißen (und ist auch in der englischen Bibelausgabe so übertragen) „Du sollst nicht morden.“ Die Tötung zur Notwehr ist aber kein Mord. Und der Krieg ist ja doch nur die Notwehr im Großen. Wir können und müssen, der sanften Mahnung unseres Erlösers gemäß, die Feinde lieben; aber das soll nicht heißen, daß wir offenbares Unrecht und Gewaltthätigkeit nicht sollten abwehren dürfen.“
„Dann kommt es also immer darauf hinaus, daß nur Verteidigungskriege gerecht seien, und ein Schwertstreich erst dann geführt werden darf, wenn der Feind ins Land fällt? Die gegnerische Nation aber geht von demselben Grundsatz aus – wie kann da überhaupt der Kampf beginnen? In dem letzten Krieg war es Ihre Armee, Herr Konsistorialrat, welche zuerst die Grenze überschritt und –“
„Wenn man den Feind abwehren will, meine Gnädige – wozu man das heiligste Recht hat, so ist es durchaus nicht nötig, die günstige Zeit zu versäumen und erst zu warten, bis er uns ins Land gefallen,
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/190&oldid=- (Version vom 31.7.2018)