Gewalt beruht ja nur auf glücklicher Kriegführerschaft; indessen: auch Republiken sind kriegerisch. Der Geist ist es, der alte, wilde, der in den Völkern – seien sie nun in dieser oder jener Form regiert – Haß und Rauflust und Siegesehrgeiz anfacht.
Ich erinnere mich, welch eine ganz eigentümliche Stimme mich selber in jener Zeit erfaßte, da der deutsch-französische Krieg sich vorbereitete und dann losbrach. Diese Gewitterschwüle vorher, dieses gewaltige Sturmwehen nach der Erklärung … Die ganze Bevölkerung war in Fieber, und wer kann solcher Epidemie sich entziehen? Natürlich – nach altem Brauch – wurde der Beginn des Feldzuges schon als Siegeszug betrachtet, das ist ja so patriotische Pflicht. „A Berlin – á Berlin!“ jubelte es durch die Straßen und von den Imperialen der Omnibusse herab; die Marseillaise an allen Ecken und Enden: Le jour de gloire est arrivé! in jeder Theatervorstellung mußte die erste Schauspielerin oder Sängerin – in der Oper war es Marie Saß – im Jeanne d’ Arc Kostüm vor die Rampe treten und fahnenschwingend dieses Kampflied singen, welches vom Publikum stehend angehört und bisweilen mitgesungen wurde. Auch wir haben das eines Abends mit angesehen, Friedrich und ich, und auch wir mußten von unseren Sitzen uns erheben. „Mußten“ nicht aus äußerem Zwang, wir hätten uns ja in den Hintergrund der Loge zurückziehen können – sondern mußten, weil wir elektrisiert waren.
„Siehst Du, Martha,“ erklärte mir Friedrich, „solcher Funke, der da von Einem zum Anderen springt
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/256&oldid=- (Version vom 31.7.2018)