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Witwe. Ihr Mann fiel in der bosnischen Expedition. Sie hat sich den Verlust nicht stark zu Herzen genommen. Keinesfalls trägt sie ewige Trauer. Im Gegenteile: diesmal ist sie mit granatrotem Brocat und brillantenem Geschmeide angethan. Sie ist gerade so oberflächlich geblieben, wie sie es in ihrer Jugend war. Toilettenfragen, ein paar französische und englische Moderomane, Gesellschaftsklatsch: das genügt noch immer, ihren Horizont zu füllen. Selbst das Kokettieren hat sie nicht ganz gelassen. Auf junge Leute hat sie es zwar nicht mehr abgesehen, aber ältere, hohen Rang oder hohes Amt bekleidende Persönlichkeiten sind vor ihren Eroberungsgelüsten nicht sicher. Gegenwärtig, scheint mir, hat sie Minister Allerdings aufs Korn genommen. Dieser hat übrigens seinen Namen gewechselt: wir nennen ihn jetzt, eines neu angenommenen Ausdruckes halber „Minister Andererseits.“

„Ich muß Dir ein Geständnis machen,“ sagte mir Lori, nachdem ich mit ihr auf des Täuflings Gesundheit angestoßen. „Bei dieser feierlichen Gelegenheit, da wir unseren beiderseitigen Enkel getauft haben, muß ich Dir gegenüber mein Gewissen entlasten. Ich war ganz ernstlich in Deinen Mann verliebt.“

„Das hast Du mir schon öfters gestanden, liebe Lori.“

„Er blieb aber stets ganz gleichgültig.“

„Auch das ist mir bekannt.“

„Du hattest doch einen goldtreuen Mann, Martha! Dasselbe kann ich von dem meinigen nicht behaupten. Aber nichts destoweniger: es hat mir sehr leid gethan

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Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/319&oldid=- (Version vom 31.7.2018)