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Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter

Schon ein paarmal hat sich die Besorgniß in mir geregt, Kunz äffe mich, um mich meiner Unschuld zu berauben; damit hab’ ich ihm sehr unrecht gethan, es ist mir auch itzt herzlich leid dafür. Er war in meiner Gegenwart immer so scheu, wie wenn er mich gefürchtet hätte, und nie erlaubte er sich nur das Geringste, daß es mir hätte gefährlich scheinen können, mit ihm allein zu seyn. Wenn ich an den Kocher hinunter gieng, um zu baden: so begleitete er mich zwar, aber er hieß allemal selbst Oswalden mitgehen, und wartete mit ihm unter den Eichen, bis ich wieder aus dem Gesträuche zurüke kam; und früh schliech er zwar zu mir auf meine Kammer, aber nie, ohne sich zuvor durch die Magd erkundigt zu haben, ob ich aufgestanden und angekleidet sey. Er erklärte mir seinen Sinn hierüber selbst, als wir am letzten Morgen mit einander in die Messe giengen: „Bertha! sprach er, was schändet die Ehre eines Ritters mehr, als Verführung der Unschuld? Nur der ist ritterlicher Ehre würdig, der die Unschuld schützt, und Festigkeit und Stärke genug besitzt, um sich selbst

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Karl Gottlob Beck, Nördlingen 1794, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Woellstein.djvu/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)