Bertha von Wöllstein

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Johann Gottfried Pahl
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1794
Verlag: Karl Gottlob Beck
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Nördlingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans von The British Library auf Commons
Kurzbeschreibung:
Editionsrichtlinien

Text auch als E-Book (EPUB, MobiPocket) erhältlich
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[I]
Bertha von Wöllstein.


Eine Reihe
von Briefen aus dem Mittelalter.


Herausgegeben
von
Johann Gottfried Pahl.


Nördlingen,
bei Karl Gottlob Beck, 1794.


[III] Durch die Erzählung, die in diesen Briefen enthalten ist, möcht’ ich in meinen Lesern die Erinnerung weken, an die Treue und Festigkeit unsrer Väter, an ihre Stärke und an ihren kühnen Sinn, an ihre Achtung für unverletzte Unschuld, und an ihren sichern Gang im Geleise der Natur. Diese Erinnerung könnte dann Betrachtungen veranlassen, die für ihre Enkel um so wichtiger sind, je seltner sie in unserm Zeitalter von ihnen gemacht werden.

Ich habe in der Geschichte lauter solche Namen von Menschen und Oertern [IV] gewählt, die theils einst blühten, theils noch blühen, um dadurch ihr Interesse in dem Zirkel zu erhöhen, in dem diese Namen bekannt sind.

Ich werde bescheiden dem Urtheile derer horchen, die mit dem Geiste und den Sitten der Vorzeit vertraut sind, wenn es auch gleich tadelnd ausfällt. Denn ich halte dafür, daß der Tadel, besonders wenn er mit Gründen belegt wird, stets belehrender ist, als das Lob. –


[1]
Bertha von Wöllstein
an
Mechthilden von Rechberg.


1.

Ich habe Kunzen schon wieder gesehen, Mechthilde! Ich bin so voll Freude, weil er mir so viel von seiner Liebe gesagt hat. Nun weiß ich es doch gewiß, daß er mich liebt, und daß keine andere seine Frau werden wird. Lache mich nicht aus, Mechthilde! – ich will dir alles erzählen. Ich habe dich nun einmal zu meiner Vertrauten gemacht. Ich mein’, ich müß’ es der ganzen Welt sagen, wie lieb ich ihn habe. Und doch habe ich es noch keinem Menschen gesagt, als dir. Und oft reut mich das; denn [2] ich schäme mich manchmal vor mir selbst, daß ich so verliebt bin. Doch das beruhigt mich immer wieder, was du mir verwichenen Frauentag gesagt hast, als wir zur schönen Maria auf den Rechberg wallfarthen giengen. Weißt du es noch? – Du sagtest: die Weiber seyen alle verliebt, nur daß es nicht alle gestehen.

Also höre, was ich dir erzählen will.

An Servatii Tag Abends – ich sas eben bei meinem Vater unter dem Burgthore, und horchte ihm, wie er den Knappen schöne Mähren von seinem Zug ins heilige Land erzählte – da kam ein Knecht von dem Schenken über die Brüke herein, und fragte, ob der Haak von Wöllstein zu Hause sey? – „Was bringst du Gutes?“ sprach mein Vater. „Lauter Gutes, antwortete der Knecht, vom Schenken von Limburg und seiner Wirthin, an den Haaken von Wöllstein, und an das Fräulein Bertha. Morgen, fuhr er fort, feiert mein gnädiger Herr einen großen Tag, und lädet alle seine Mannen, und auch euch seinen lieben Buhlen ein.“ – Ha! sprach mein Vater, des Tages Ursach ist mir schon bekannt. Der [3] Schenk wird morgen seinen Junker wehrhaft machen. Melde ihm meinen willigen Dienst und Fleiß, und daß ich wünsche, daß der Junker ein frommer, fester Ritter werde, wie es alle seine Vorfahren gewesen sind, und ich wolle zu rechter Zeit erscheinen.

Mein Vater ließ um Mitternacht schon die Pferde satteln, und erlaubte mir’s auch, mit an den Hof des Schenken zu ziehen. Das war mir nicht unlieb, weil ich noch nie so weit gereißt bin. Ja hätt’ ich gewußt, daß Kunz von Kransperg auch hinkäme, so wäre meine Freude noch viel größer gewesen. Und das hätt’ ich dumme Metze doch wissen sollen, weil des Schenken Silberbote ausdrüklich gesagt hat, daß alle Mannen seines gnädigen Herrn auf den Tag geladen seyen.

Als wir in Limburg einritten, wimmelte der Hof von Leuten. Ich habe noch nie so viel edle Männer und ehrbare Frauen beisammen gesehen. Der alte Rinderbach kam gleich herunter, und gab meinem Vater die Hand aufs Pferd, und freute sich recht, ihn wieder zu [4] sehen. Denn sie waren mit einander aus dem heiligen Lande zurükgezogen, und sind nun wohl sechs Jahre, weil dieser ziemlich presthaft ist, nicht mehr zusammen gekommen. Der Schenk kam auch herunter, und mit ihm der Graf von Hohenlohe, und alle hießen uns freundlich willkommen, und thaten uns viel Ehre und alles Guts.

Ich war fast sehr blöde, und es wurde mir bang unter so vielen edlen Leuten. Ein ganzer Haufe junger Ritter und Edelknechte aus der Adelstadt stolzierten trotzig im Hofe umher, und klirrten mit ihren Schwerdtern auf dem Pflaster. Etliche stellten sich recht vorwitzig vor mich hin, und begaften mich, wie wenn ich ein Wunderthier aus einem fremden Lande wäre. Plötzlich wurden mir die Augen von hinten zugehalten, und eine weibliche Stimme sprach: „wer ist’s, der dich blendet, Bertha?“ – Ich rang mich los, und siehe Adelhaid von Vohenstein stand hinter mir. Da wurd’ ich keker, weil ich nun einen bekannten Menschen bei mir sahe. Wir giengen mit einander aus dem Hofe auf den großen Saal [5] hinauf, wo der ehrbaren Frauen wohl bey vierzig versammlet waren. Die Gräfin von Hohenlohe war unter allen am hoffärtigsten gekleidet. Sie trug ein scharlachen Leibgewand, und einen schwarzen Mantel von Sammet. Ihre Kappe war vom feinsten Pelz, mit einer kostbaren Schnur von Perlen umwunden. Der Mantel war oben mit einem runden Knopf zusammen geheftet, der Strahlen von sich warf, wie der Abendstern. Adelhaid sagte mir, daß ihr ihr Sohn all’ diesen reichen Schmuk aus dem Morgenlande mitgebracht habe.

Ich stand neben Adelhaiden im Fenster, und sah’ dem Gewühl der Ritter und Knechte im Hofe zu. Unversehens bemerkt’ ich ein Gedränge auf der äussern Brüke, und sieh’ – Kunz von Kransperg kam mit seinen Leuten angeritten. Die weiße Feder auf seinem Helm schwankte so majestätisch in der Luft einher, und das Roß schritt so stolz in den Hof, als wenn es gewußt hätte, das es den schönsten aller Ritter trage. Die Edlen aus Hall und vom Lande umringten ihn, und laut schallte aus aller Mund: Gott grüße den Kransperg! [6] – So sehr mich’s freute, ihn hier zu sehn, so ward mir’s doch so eng, wie wenn einer ein böses Gewissen hat, und ich meinte, es seyen nun aller Augen auf mich gerichtet, und jedermann seh’ es mir an, daß ich ihn liebe. Er schaute mit seinem schönen Auge herauf, und unsre Blike begegneten sich. Er rief sogar aus der Menge: „Auch hier am Freutentage, Bäslein Bertha!“ Deß wurd’ ich flammroth, und konnt’ ihm keine Antwort geben. Jedermann sah herauf, wer das Bäslein Bertha sey. Ich nahm Adelhaiden bey der Hand, und trat mit ihr aus dem Fenster zurük.

Von nun an mußte ich immer an Kunzen denken. Meine Augen waren auch stets auf ihn gerichtet, und er hat mir nie so wohl gefallen als heute. Als der Graf von Hohenlohe dem jungen Schenken das Wehrgehäng umhängte, und ihm die Lanze in die Hand gab, die der Abt von Comburg am Altar geweiht und gebenedeiet hatte, – da stand er unter den Edlen mit einer Würde, wie keiner unter allen, und doch dabei so holdselig und so liebreich! – Man sah’ an ihm ritterlichen [7] Sinn, Tapferkeit, und festen Muth; man sah’s aber auch zugleich, daß er nur zur Beschirmung der Unschuld und zur Steuer der Ungerechtigkeit, Schwerdt und Lanze führe. Ja – da konnt mein Blik nicht von ihm ablassen, aber auch der seine nicht von mir. Er winkte mir sogar ein paarmal mit den Augen, was mich aber fast verlegen machte.

Ein Fräulein von Hohenhard stand neben mir. Ihr mocht er auch gefallen, der edle Kunz. – Wer ist der schöne Ritter dort, raunte sie mir ins Ohr, mit der weißen Feder und mit dem glänzenden Helm? – Er ist Kunz von Kransperg, mein Vetter, – sagte ich, und war des Fräuleins Neugier sehr unzufrieden.

Als der junge Schenk bewehrt gemacht, und zu aller ritterlichen Ehr’ eingeweihet war, hielt man unter freiem Himmel, im äussern Hofe der Burg, ein großes Mahl. Es waren wohl hundert rittermäßiger Männer beisammen, und eine unzählbare Menge Dienstvolks. Da wurde viel geessen, und dem Schenken sein ganzer Keller ausgetrunken, so daß man Abends [8] den Wein von Brestenfels heraufführen mußte. Spielleute und Gaukler, und Sänger belustigten die Gäste durch Schwänke und schöne Melodeien, und als man zu Comburg zur Vesper läutete, waren die Ritter wohl alle schon betrunken. Kunzen konnt’ ich das Mahl über nicht sehen; nur die schwankende Feder erblikt’ ich zuweilen am Tische der Mannen, wenn ich mich aufrichtete. Darob war ich nicht wenig bekümmert. Denn ich hätt’ ihn gerne immer gesehen.

Es hatte sich beim Mahle ein Zwist entsponnen, zwischen Kunzen von Kransperg und Walthern von Hohenthüren, einem gewaltigen Ritter aus dem Nordgau. Dieser hatte lange dem Könige von Hungarn gedient, und war hieher gekommen, um die Tochter des Schenken zu werben. Er saß Kunzen gegen über, und sprach viel stolzer Worte, von seinem Muthe, und von seiner Stärke in den Waffen. Das nahm Kunz übel auf, und forderte ihn aus, eine Lanze mit ihm zu brechen. Keiner unter den Edlen wagte es, die Ehre des schwäbischen Ritterstandes gegen den [9] Fremdling zu retten, als Kunz. Denn Walther war an Stärke und Größe einem Riesen gleich, und hatte durch die prahlerische Erzählung seiner Thaten die andern alle zittern gemacht. Gleich lief die Kunde herum an den Tischen, daß Kunz und Walther zum Zweikampfe gerüstet seyen. Der Schenk war es zufrieden, und ich – o! wie freut’ ich mich, meinen Ritter geharnischt, und schlagend, und siegend zu sehen! Alles zog hinaus auf das nächste Feld; man schloß einen Krais und erwartete die Kämpfer.

Sie kamen. Aber wie erschrak ich, als ich Walthern sah, schwer gepanzert, vom Kopf bis auf die Füsse, einer ehernen Säule ähnlich, auf einem stolzen Rosse langsam einherwogend? Seine Lanze ragte weit hervor über die Menge, und seinen Helm zierte das gebogene Horn eines hungarischen Stiers. Kunz erschien, als er schon auf dem Platze gehalten hatte, leicht gerüstet, und fröhlichen Bliks. Da schlug mir das Herz laut, und es war mir bange für ihn. Doch besann ich mich bald, und dachte, siegt er, nun so wird deine Liebe [10] noch inniger als zuvor; unterliegt er aber dem Nordgauer, was verliehrst du dann an ihm? – einen Trutzkopf, zu schwach seinen Trutz geltend zu machen.

Eine schauerliche Stille herrschte über dem wartenden Haufen Volks. Walther fieng an seine Lanze zu schwingen; Kunz stand unbeweglich. Plötzlich rannten sie auf einander los, und verfehlten sich beide. – Sie begonnen den Streit aufs neue. Blitzschnell stürzte Walther auf Kunzen los, und stieß ihn so mächtig auf den Schild, daß seine Lanze um das Handgefäß zersplitterte. Kunz blieb unerschüttert, und nützte diesen Augenblik. Er rannte gegen Walthern an, und faßte ihn so völlig mit der Lanze auf die Brust, daß der Prahler, wie vom Wetter geschlagen, hinter sich vom Roße stürzte, und unter der Last seines Harnisches unbehülflich auf der Erde liegen blieb. Ha! schrien sie alle – die weiße Feder hat gesiegt! das Horn ist überwunden! – Unter viel Preis und Ehr’ ritt Kunz in die Burg zurük. Ich konnte mich kaum enthalten, laut in die Menge zu rufen, daß ich die Liebe des [11] siegreichen Ritters sey. Der Graf von Hohenlohe stand neben mir, als der Nordgauer fiel. „Glük zu einem solchen Vetter, sprach er, Fräulein Bertha!“ – und das that mir in der Seele wohl.

Als die Tische aufgeräumt waren, und der Tanz begann, kam Kunz zu mir her, und zog mich auf. Es war mir sehr lieb, daß er so eilig nach mir grief; denn hätt’ mich ein andrer von den Junkern erhascht, so wär’ er auf den ganzen Abend für mich verlohren gewesen. Wohl drei Stunden hatten wir uns im Reigen herumgedreht, als ich ihn bat; ein wenig auszuruhen. Wir setzten uns auf eine Bank, nahe bei der Brüke, entfernt vom Getümmel. Da ward der gute Kunz sehr traulich und geschwätzig. Scheu drükte er mir die Hand, und sagte: „Bertha, ich hätte den Nordgauer nicht geworfen, wärest du nicht unter der Menge der edlen Frauen gewesen. Ich wollte deine Liebe verdienen, und das gab meinem Arm eine Stärke, der kein Riese widerstanden wäre. Als er fiel, blikt’ ich zuerst nach dir, und ich war entzükt über das holde Lächeln, das sich über [12] dein Gesicht verbreitete. Nicht wahr, Bertha! nun hast du mich doch recht lieb? –“ Ich konnte kein Wort sprechen, und sah’ zur Erde, wie wenn man sich schämt. Mein ganzes Gesicht dünkte mich feurig zu werden. Ich wand meine Hand aus der seinigen los; aber, wie hingezogen, fiel sie auf seinen Schooß. Es war mir bang, einem Mann so nahe zu seyn, und solche Worte zu vernehmen. Und doch vermocht’ ich’s nicht aufzustehen; denn es war mir doch wohl in seiner Nähe, und ich habe sein schmeichelndes Kosen gern gehört. Er sprach noch viel von seiner Liebe, und schwur mir seine Treue zu. „Ihr seyd betrunken, Kunz! –“ war das einzige, was ich stottern konnte. Und das war albern genug. Denn einmal war Kunz in der That nicht betrunken, was wohl die andern Ritter alle gewesen seyn mögen, und dann, wie leicht hätt’ er mir’s übel deuten können. Denn ich habe dadurch seine Ehre verletzt, weil ein braver Rittersmann, nie Glauben und Treue bricht, sollt’ er sie auch im Trunke zugesichert haben. Kunz war aber deß nicht böse. Er umfaßte mit feurigem Ungestümm meinen Arm, und sprach in einem Tone voll Kraft und Nachdruk: [13]Bertha, ich bin nicht trunken. Ich bin ein Ritter von fester Treu. Mein Wort kann nichts brechen, als der Tod. Oder glaubst du, daß ich dich äffe? Bertha sage, ob dir Kunz von Kransperg als Mann gefiele; ich verlange dich zur Ehe! –“ Diese Worte erschütterten mich. Ich konnte nicht ihnen, nicht seinem entschloßnen, festen Blike widerstehen. „Gern, sprach ich, geb’ ich euch Hand und Herz, und von allen Rittern, die hier zusammen gekommen sind, gefällt mir keiner so wie Kunz. –“ Es reute mich gleich wieder, das gesagt zu haben. Denn es war doch für ein Fräulein allzudreist, so zu sprechen, mit einem Manne. Aber er schien darüber sehr froh, und gab mir eine kleine goldne Münze mit den Worten: „nimm sie zum Siegel meiner Liebe! –“ Ich nahm sie, und schob sie in meinen Busen.

Er wollte noch mehr sprechen: aber Oswald, unser Knecht, hatt’ mich schon lange aufgesucht, um mir zu sagen, daß mein Vater im Mondschein heimziehen wolle. Kunz schien darüber zu zürnen, und ich wäre gern auch länger geblieben. Er gieng mit mir in den [14] Hof, wo die Pferde schon gesattelt standen. „Wir sehen uns bald wieder –“ war sein letztes Wort.

Seitdem, Mechthilde! schwebt er mir immer vor dem Blike, wie er im Zweikampfe die Lanze schwingt. Bald bin ich voll Freude; bald aber muß ich wieder weinen, wie ein Wiegenkind, und weiß doch nicht warum? Ich schaue hundertmal das Thal hinab, ob ich die weiße Feder nicht am buschigten Gestade des Kochers herauf schwanken sehe. Die Münze hab’ ich in das Schmukkästchen meiner Mutter gelegt. Ich schließ’ es oft auf, und – denke! ich habe die Münze schon einmal geküßt. – Wenn er nur bald käme.


2.

Gestern Vormittag gieng ich drausen auf der Wiese umher, im Schatten der hohen Eichen, die an das Gestade des Baches gepflanzt sind. Husch – sprengte ein Reuter aus dem Walde heraus; – ich erschrak und wollte schreien. „Erschreket nicht, Fräulein! – sprach er, und hielt mit dem Rosse im Saum des Waldes [15] – ich bin Kunzen von Kranspergs Knechte einer, und harre eurer hier schon, seit dem Aufgang der Sonne. Mein Herr läßt euch bitten, daß ihr heute Abends, unten hinter der Mühle, wo die Fuhrt über das Wasser geht, seiner warten sollt. Er reutet nach Adelmannsfelden, und wird wohl drei Tage da liegen. –“ Ich vermocht’ es nicht, dem Knappen Bescheid zu geben, und rang mit mir selbst. Ich hab’ ihn so lieb, und hätte so gern seine Rede vernommen, und den feurigen Druk seiner Hände gefühlt. Aber wie? – dacht ich im Gegentheil – werd’ ich nur von einem einzigen Menschen gesehen, so einsam zusammenkommen mit ihm, wird man mich dann nicht für die schlechtste Maid ausschreien? Und was muß wohl er selbst von mir denken, wenn er sich besinnt, daß ich ihm nachgelaufen bin? Vielleicht geht er gar mit Anschlägen gegen meine jungfräuliche Ehre schwanger, und seine Liebe ist Verstellung? – So dacht’ ich viel hin und her, und Arges konnt’ ich doch im Ernst nicht von ihm denken. Meine Liebe trug den Sieg über alle Furcht davon, und ich sagte es dem Knappen zu, daß ich erscheinen wolle.

[16] Ich war den ganzen Tag sehr unruhig; gewiß, Mechthilde! hätt’ ich Herz genug gehabt, mich jemand zu vertrauen, ich hätte mein Wort wieder zurükgenommen. Aber ich fürchtete jedermann.

Abends, als ich gieng, war mir’s so bang, daß ich kaum athmen konnte, und ich weinte viel im stillen Thal hinunter. Oswald gieng mit mir, und schien sehr besorgt wegen meiner Thränen. Er fragte mich zweimal: was weinet ihr, Fräulein! aber ich konnt’ mich nicht überwinden, es ihm zu sagen. Da wo sich der Fluß um die Waldeke hinum windet, hieß ich ihn warten, und log ihm – ich schwöhr dir’s bei allen Heiligen, daß ich in meinem Leben nicht gelogen habe – daß ich in dem Kessel oder der Fuhrt baden wolle. Der treue Alte setzte sich aufs Moos, und blikte mir zweifelnd nach.

Als ich allein durch’s Gebüsche hinschliech, ward mir’s noch banger, und jede Staude und jedes Läubchen schien mir meine Vermessenheit zu verweisen. – Plötzlich stand Kunz vor mir; er hatte sein Roß an einen Baum [17] gebunden, und die Knechte jenseits der Fuhrt halten lassen. Er umpfieng mich feurig, und drükte mich, ohne ein Wort zu sprechen, an seine Brust. Darob war mir, als wenn mir die Glieder brächen. Denn das hatte sich Kunz noch nie erlaubt, und nirgends konnt’ er mich durch eine solche Dreistigkeit mehr verlegen machen, als in diesem wilden Walde. „Laß mich, Kunz! laß mich! – rief ich überlaut – oder hast du es vergessen, daß du mir versprachst, mich zum Weib zu nehmen?“ – „Vergieb, sprach er, indem er erschroken zurüke trat, vergieb, Bertha! diesen heftigen Ausbruch keuscher Liebe! wie tief verwundest du mich durch deinen Argwohn? aber dieser Argwohn ist mir Bürge für deine unverletzte Tugend. –“ Nun war ich erst wieder ruhig und faßte den schönen Ritter ins Gesicht. Ob seinem Anblik schwand alle Furcht, und recht traulich und behaglich setzte ich mich an seine Seite auf den Stamm einer gefallnen Buche nieder.

Ich kann dir nicht alles schreiben, Mechthilde! was wir da mit einander sprachen. Kunz schwuhr mir aufs neue ewige Lieb’ und [18] Treu’, und ich gab ihm das kleine silberne Crucifix, das mir mein Oheim, am Tage meiner Firmelung umgehängt hat. Die Sonne gieng unter, ohne daß uns der Abschied einfiel. Er war besonnener als ich, deß ich mich auch schäme, und erinnerte mich an Oswalden und an Wöllstein. An seiner Seite hätt’ ich alles vergessen. Wir konnten uns kaum von einander losreißen. Wir kamen immer wieder, und hatten uns immer noch etwas zu sagen, wenn wir uns schon gute Nacht gegeben hatten.

Du kennst Oswalden, Mechthilde! er ist ehrlich, und goldtreu, aber ein wenig naseweis. Er that allerhand Fragen an mich, und schien etwas zu wittern. Ich gebot ihm Sillschweigen, theils weil ich seine Fragen nicht beantworten mochte, theils weil er mich dadurch in den lieblichen Vorstellungen stöhrte, an denen sich nun meine Seele ergötzte. Unter diese lieblichen Vorstellungen schlich sich aber auch eine widerwärtige ein. Adelhaid – zwar ein frommes, züchtiges Fräulein, aber schön wie der Vollmond, und so schlank, wie [19] der schönste Baum des Waldes – und Kunz, ihr so nahe, in ihrem Hause, und an ihrem Tische, – kurz, Mechthilde! eine bängende Eifersucht erwachte in mir. Ich habe mich auch bis itzo noch nicht ganz beruhigen können, und das dünkt mich doch sonderbar. Denn, wenn ich mir Kunzen und Adelhaiden vorstelle, so gut und fromm wie sie beyde sind, so find’ ich, wahrlich! keine Ursache, mich mit diesen Gedanken zu quälen, und doch kann ich mich ihrer nicht entschlagen. Ja ich habe mich schon so vertieft, daß ich im Ernst recht bös auf Adelhaiden war. – Wenn ich ihn nur wieder von Adelmannsfelden weg hätte. Drei Tage ist doch eine lange Zeit. Auch kommt es mir vor, daß es nicht so bitter ist, wirklich Unrecht zu leiden, als Unrecht zu befürchten.

Mein Vater war den Abend ausgeritten, und hatte den Wolf gejagt, der uns vorgestern in die Hürden gebrochen ist. Er kam erst in der Nacht heim. Sie waren an der Lein auf den Wolf gestoßen, aber er ist ihnen wieder entlaufen. Es war gut, daß mir nicht [20] auch vollends das Thier einfiel, als ich zu Kunzen in die Fuhrt hinunter gieng. Ja dann hätt’ ich gewiß wieder umgekehrt; denn ich fürchte nichts so sehr als den Wolf.


Nachschrift.

Es gelingt, Mechthilde! es gelingt mir: heute noch wird Kunz hier seyn. Eben läßt der Probst von Ellwangen meinem Vater entbieten, daß er morgen, vermöge der Lehnspflicht, mit Aufgang der Sonne, mit zweien wehrhaften Knappen, vor der Porte des Stiftes erscheinen, und seines gnädigen Willens gewärtig seyn soll; über drei Tage werde er nicht aussen bleiben dürfen. – Indem mir mein Vater des Probsten Befehl und seinen Ausritt verkündete, setzte er sogleich hinzu: „ich mag die Burg den Knechten allein nicht anvertrauen, bis ich wieder komme. Es ist Meßzeit, und das ganze Land voller Gesindel. Die Knechte halten nicht Ordnung unter sich, und du und die armen Leute, und die Reisenden, die Gelait [21] verlangen, haben schlechten Schirm. Wenn mir der Wille des Probsten nur früher kund geworden wäre, damit ich einen benachbarten Ritter zur Burghut hätte bestellen können.“ – Hier ward ich plötzlich Kunzen von Kransperg eingedenk. „Ich wüßte wohl einen, sprach ich, der die Burghut gern übernähme. Unser Vetter Kunz ist gestern nach Adelmannsfelden geritten, und wird wohl drei Tage da liegen. Es wird ihm eins seyn, ob er hier liegt oder dort. Ich glaube nicht, daß ers euch abschlägt.“ – „Du weißt guten Rath, Töchterlein! sprach mein Vater, gleich will ich Oswalden abfertigen, daß er ihm meine Werbung vortrage.“ – Heute noch kommt er also. O! wie freu ich mich auf ihn! – Nun will ich mich aber gleich recht zierlich schmüken, und ihm ein gutes Abendessen zubereiten. Ja es gelingt mir doch recht mit Kunzen!


3.

Ich setzte mich, als das Essen zubereitet war, unter das Burgthor auf die Brüke, [22] und wartete seiner. Die Zeit ward mir bald lange, und ich fieng an böse zu werden. Mein Blik war immer auf die Höhe von Büchelberg geheftet, aber er kam, ich weiß nicht aus Irrthum oder mit Fleiß, weiter oben schon ins Thal herunter, und erschien plötzlich auf dem Wege, wo sich der Kocher aus dem Dikicht des Waldes hervordrängt. Ich sprang eiligst auf die Warte, daß er mich bemerken konnte. Er zog das Schwerdt, und strich damit in die Luft, und ich ließ ein weißes Tuch flattern; wir verstanden uns.

Mein Vater war sehr erfreut, ihn auf seine Werbung so bereitwillig zu sehen. Nur mehr Knechte von den Seinen konnte er nicht mit kommen lassen, weil er sonst seine eigne Burg hätte schirmlos lassen müssen. – „Ich bedarf ihrer auch nicht, sprach er beim Abendessen; wenn ich nur ganz allein in eurem Schloß wäre, so dürftet ihr doch meinem Worte trauen, daß ich euch Burg und Fräulein wieder so unverletzt in die Hände geben würde, als ich beide aus euren Händen empfangen habe.“

[23] Mein Vater zog um Mitternacht mit den Knechten fort, und Kunz begleitete ihn, bis Ummne, da der Tag begann hereinzugrauen. Ich konnte wenig schlafen. Als er kam, war ich schon wieder rüstig. Er legte sich gar nicht nieder. „Jeder Augenblik, sprach er, Bertha! an deiner Seite hingebracht, ist mir theuer; ich kan dich nur genießen, wenn ich wache.“

Diese Zeit über ist meine Liebe zu Kunzen noch viel tiefer gewurzelt, und noch viel wärmer und heftiger geworden, als sie vorhin war. Ich habe so viel Gutes und Edles an ihm gesehen, was mir zuvor verborgen gewesen ist. Ja – nun kann mich nichts mehr von ihm trennen, als der leidige Tod. –

Du kannst nicht glauben, Mechthilde! wie schön er das Regiment im Hause anzuordnen weiß, wie sanft und milde, und zugleich mit welch’ männlichem Ernst, er das Gesinde behandelt. Die jungen Ritter sind meistens hart und rauh gegen die Knechte, und schlagen ohne Ursache drein, aus höhnendem Uebermuth. Aber Kunz hält sie durch Liebe [24] in Ordnung. Mit nachdruksvollem Ernst ertheilte er die Befehle, und mit holder Freundlichkeit lobte er die Treuen und Frommen, daß es die andern hörten, und zu gleichem Fleiße ermuntert wurden. Um deßwillen fürchteten ihn alle, ohne ihn zu hassen; alle liebten ihn, ohne ihn zu verachten. Mein Vater ist weit nicht so streng in der Beschirmung der Burg, und der Leute, die Gelaid verlangen, und doch haben sie auf Kunzens Befehl genauer gehorcht, und ihn fleißiger befolgt, als den Seinigen; vermuthlich weil Kunz besser zu befehlen weiß, als er.

Auch ist er so gottesfürchtig, so andächtig in der Messe, und so bescheiden und waker gegen Mönche und Pfaffen. Alle Morgen, wenn er sich gerüstet hatte, hat er in der Kapelle das Credo und das Pater Noster auf den Knien gebetet; auch hab’ ich ihn nie fluchen gehört. Das gefiel mir besonders wohl an ihm, und erinnerte mich an den Spruch, den meine selige Mutter so oft soll gesagt haben: wer unsern lieben Herrn und die heilige Jungfrau andächtig ehret, kann unmöglich ein böser Mensch seyn!

[25] Schon ein paarmal hat sich die Besorgniß in mir geregt, Kunz äffe mich, um mich meiner Unschuld zu berauben; damit hab’ ich ihm sehr unrecht gethan, es ist mir auch itzt herzlich leid dafür. Er war in meiner Gegenwart immer so scheu, wie wenn er mich gefürchtet hätte, und nie erlaubte er sich nur das Geringste, daß es mir hätte gefährlich scheinen können, mit ihm allein zu seyn. Wenn ich an den Kocher hinunter gieng, um zu baden: so begleitete er mich zwar, aber er hieß allemal selbst Oswalden mitgehen, und wartete mit ihm unter den Eichen, bis ich wieder aus dem Gesträuche zurüke kam; und früh schliech er zwar zu mir auf meine Kammer, aber nie, ohne sich zuvor durch die Magd erkundigt zu haben, ob ich aufgestanden und angekleidet sey. Er erklärte mir seinen Sinn hierüber selbst, als wir am letzten Morgen mit einander in die Messe giengen: „Bertha! sprach er, was schändet die Ehre eines Ritters mehr, als Verführung der Unschuld? Nur der ist ritterlicher Ehre würdig, der die Unschuld schützt, und Festigkeit und Stärke genug besitzt, um sich selbst [26] zu beherrschen. Wer unzüchtiger Lüste nicht Meister werden kann, ist schwach, und jede Schwäche ist ein Schandflek im Charakter des Ritters. –“

Bin ich nicht recht glüklich, Mechthilde! daß ein solcher Mann mich in das Ehebett führt? Ich habe einmal einige Junker mit ihren Verführungskünsten prahlen hören; es war bei einer großen Zeche, die der Graf von Oettingen zu Aalen gegeben hat. – Pfui, dachte ich damals, lieber ins Kloster als einen Mann! Aber Kunz ist ein reiner keuscher Junggeselle, und den zieh’ ich freilich dem Kloster vor.

Ich habe meinen Vater innig lieb, und nichts ergötzt mich mehr, als wenn ich ihm eine Freude machen kann; ich bin auch stets um ihn besorgt, wenn er ausreitet, und wenn ich ihn sehe’ wieder den Hügel herauf kommen, hüpft mir allemal das Herz, und allemal dank ich Gott und der heiligen Jungfrau, daß sie ihn unverletzt wieder gebracht haben. Aber diesmal, Mechthilde! – ich [27] kann nichts vor dir verborgen halten – konnt’ ich mich des Wunsches nicht erwehren, daß er recht lang ausen bleiben möchte, weil ich wußte, daß seine Ankunft Kunzen von mir trennen würde. Es war mir auch fast lieb, als er am Abend des dritten Tages noch nicht kam, und ich war nicht wie sonst, wenn er zur versprochnen Zeit nicht eintraf, so ängstlich besorgt. Ja es kommt mir vor, als wenn Mannesliebe die Kindesliebe in mir geschwächt hätte. Es thut mir weh, dieß zu bemerken, und doch kann ich’s nicht ändern. Ich konnt’ und kann noch itzt sonst nichts lieben als Kunzen; alles sonst in der Welt ist schlecht und kalt, und tod für mich.

Ich hätt’ ihn gern gefragt, wann er bei meinem Vater um mich werben wollte? – Aber es schien mir unziemlich daß ich zuerst von der Hochzeit reden sollte, und daß er nichts davon sprach, das, Mechthilde! machte mir manche einsame, nächtliche Stunde kummervoll. Am dritten Tag war ich fest entschlossen, beherzt ihn zu fragen; aber eh’ ich zu reden anfieng, war ich roth und – [28] [ver]stummte. Zum Glük, gleich als wenn er den Stein bemerkt hätte, der mein Herz so gewaltig preßte, begann er selbst gerade in diesem Augenblik: „Nach wenigen Tagen, sagte er, wenn’s dir so nicht mißfällig ist, will ich Kraften von Schmidelfeld zu deinem Vater schiken, daß er in meinen Namen um dich werbe; giebt er ihm sein Wort: so wollen wir gleich nach der Erndte Hochzeit machen. –“ Ja das war mir freilich recht. Ich war so erfreut darüber, und es wurde mir plötzlich so frei und leicht ums Herz, daß ich mich nicht enthalten konnte, ihm unverholen zu sagen: Je bälder, Kunz! je lieber! – Das mocht’ ihm aber auch gefallen; denn er küßte mich darüber recht ungestümm auf den Mund, – der erste Kuß, den ich in meinem Leben von einem Mann empfangen habe. Ich schämte mich darob, und schob ihn zurük, ob es mir wohl gar süß und lieblich dauchte, von ihm geküßt zu werden.

Am vierten Tage sehr früh sahen wir meinen Vater mit den Knappen gegen die Burg anreiten. Wir giengen ihnen unter das [29] Thor entgegen. Mein Vater erschien düstern Bliks, keuchend, und mit Staub bedekt. Er warf Harnisch, Helm, und Wehrgehäng von sich auf die Erde, und setzte sich auf die Bank unter der großen Eiche nieder. Wir stunden und blikten ihn neugierig an. – „Nichts neues, Kinder? sprach er endlich – habt ihr gestern und heute Nacht keinen Lerm gehört? – auch keine Helle am Himmel, da über den Wald hinein, gesehen?“ – „Gar nichts von all’ dem, antwortete Kunz, es war Friede durchs ganze Land, seitdem ich die Burg gehütet habe; es scheint, daß ihr uns keine gute Kunde bringt?“

„Nein, fuhr mein Vater fort, wahrlich keine gute Kunde! Es hat Götzen von Ahelfingen ein schreklicher Unfall betroffen.“

Götzen von Ahelfingen? – antwortete Kunz; – der hat sich wohl den Unfall selbst bereitet?“

„Du weißt es, Bertha! sprach mein Vater, daß ich ihm erst vor zehen oder vierzehen Tagen, gerade hier unter dieser Eiche, [30] seine Plakereien sehr ernstlich widerrathen, und ihm’s nachdruksamst eingeschärft habe, wie der Raub wider ritterliche Ehre sey, und wie er noch um Haus und Hof, Leib und Leben dadurch kommen könne, und wie ich ihm Hülfe und Schirm, und Oefnung meiner Burg versagen müßte, wenn er um Raubes willen aus dem Seinigen vertrieben würde. Er nahm meine Mahnung zornig auf, ritt mit verbißnem Grimme fort, und trieb sein Wesen nach wie vor. Da machte ihn die Nördlinger Meß aufs neue lüstern nach fremdem Gut. Er zog mit seinen Knappen aus, und verbarg sich mit ihnen auf dem Härtsfelde im Walde, unfern der Heerstraße. Zween Wechsler von Aalen kamen des Weges hergeritten. Sie führten viel Geld und Geschmeide mit sich, und einen Knecht zum Schutz. Götz hielt sie für Gewertschen[1] und versprach sich große Beute. Er fiel mit seinen Leuten über sie her, und nun entspann [31] sich ein hartnäkiger Kampf. Denn die Wechsler waren stark bewehrt, und wußten mit den Waffen umzugehen. Sie unterlagen aber der Uebermacht der Knappen, und diese, nicht zufrieden damit, sie niedergeworfen und ausgezogen zu haben, erstachen beide. Götz zog mit großer Beute auf seine Burg zurük, nachdem er die Leichname der Erschlagenen zuvor in das Geröhricht eines benachbarten Weihers geworfen hatte.“

„Pfui, sprach Kunz, so handelt kein ehrenmäßiger Ritter! Wenn die von Aalen keine feige Memmen sind, so müssen sie den Räuber züchtigen, für das schändliche Unbild, das er ihren Bürgern erwiesen hat. Ja da führt’ ich selbst ihren Haufen gegen das Raubnest zu Hohenahelfingen an.“

„Sie haben die erstochnen Bürger grimmig genug gerächt, fuhr mein Vater fort. Der entlaufene Knecht kam mit brennendem Kopf in ihre Stadt zurük, und erzählte die schandbare That des Ritters, und den Tod der Wechsler. Plötzlich liefen die Bürger in zahllosen Schaaren auf dem Markte zusammen, [32] ergriefen Schwerdter, Lanzen, Aexte, Sensen, Steken, ein jeder was ihm zuerst in die Hände fiel, und stunden bereit zum Streit. Der Schultheiß suchte den erzürnten Haufen zu bewegen, Götzen erst einen Fehdebrief zu schiken, aber es war nur eine Stimme: Strasenräubern schikt man keine Fehdebriefe! und als der Schultheiß auf seinem Willen bestand, fuhren ihm einige mit den Spießen unter die Nase, und schalten ihn einen Verräther. Wollt’ er Frieden halten, so mußt’ er sich an die Spitze des Gewalthaufens stellen, der wohl tausend Mann stark, das Thal hinabzog. Sie erschienen vor Hohenahelfingen, als Götz eben mit seinen Knappen, zur Freude über den großen Raub, im Hellauf zechte, und schon alle trunken waren. Niemand argwohnte in der Burg Feindesgefahr, als die erzürnten Rächer, blutdürstig durch das offene Thor eindrangen. Götz, über den unerwarteten Unfall erschroken, und sich seiner bösen That bewußt, versteckte sich auf den Thurm unter dem Dache: die Knechte aber liefen mit den Waffen in den Hof herunter. Alle wurden durch die [33] Spieße gejagt, bis auf einen Reutersbuben, der ihnen Götzen verrieth. Als sie ihn gefunden hatten, rissen sie ihn an den Haaren die Treppe herunter, banden ihn dem Rosse an den Schwanz, und führten ihn gefangen. Weiber und Kinder luden sie auf Kärren, und giengen gar unfreundlich mit ihnen um. Alles in der Burg wurde hinausgeworfen, und verderbt, und eh’ sie abzogen, stekten sie dieselbe an vier Eken in Brand. Wir haben die ganze Nacht auf dem Schloß zu Ellwangen das Feuer gesehen. Der Probst schikte Kundschafter aus, und alle kamen mit diesem übereinstimmigen Bericht zurük. Es breitete sich sogar die Sage aus, die von Aalen haben Götzen gleich nach seiner Ankunft in ihrem Stadtgraben enthauptet; aber es wurde ein neuer Kundschafter abgefertigt, der mit der sichern Botschaft zurükkam, daß sie ihn auf einen festen Thurm in guten Verhaft gelegt haben. Noch wär’ ich vom Probsten nicht losgekommen; aber ich erklärte ihm mein Verkommniß mit Götzen, wegen gegenseitiger Hülfeleistung, und wie es möglich wäre, daß sich einige seiner Leute in meine [34] Burg geworfen haben dürften. Auf das ertheilte er mir schleunigen Urlaub, aber auch den Befehl, daß ich mich in die Sache nicht mischen, und Götzen seinem Schiksal überlassen sollte, wie er es verdiene. Ja er rief mir noch, als wir schon aufgesessen waren, in den Hof herunter – sein Kanzler stand neben ihm, der’s ihm auch wohl mocht’ ein gegeben haben: – „habt reine Hände, rief er, Ritter Hans! und wann etliche von Götzens Leuten Schirm bei euch gesucht haben, so werft sie hinaus; denn ich kann nicht anders, als die Rache, welche die von Aalen an ihm genommen haben, von ganzem Herzen billigen.“ – Gut ist es nun, daß keiner entkam. Denn ich halt’ es für löblich und einem Ritter gar wohl anständig, einen Entflohenen zu schirmen; ich halt’ es aber für eben so löblich und pflichtmäßig, seinem Lehnsherrn unterthänig und gehorsam zu seyn. Dabei ist es mir aber doch sehr leid, daß ich um diesen Bundsmann gekommen bin. Denn kühn und tapfer war er, und zur Zeit der Noth durfte man sich auf ihn verlassen. Wenn ihn die von Aalen [35] auch wieder auf freien Fuß stellen, so kann er mir nun doch nicht mehr nützlich seyn. Denn nun ist er ein verdorbener Mann, ohne Haus, ohne Gut, ohne Waffen, und ohne Leute.“

Hier nahm Kunz das Wort, und sagte: „Glaubt ihr nicht, daß ich der Mann wäre, seine Lüke auszufüllen?“

„Ohne sich zu besinnen, antwortete mein Vater: ihr habt den Nordgauer zu Limburg geworfen, und die That ist aller Ehren werth. Ihr könnt aber wenig gewinnen, wenn ihr euch mit einem alten, starren Mann verbindet, der kaum mehr aufs Roß kann.“

„Wir schließen, erwiederte Kunz, wohl erst einen andern Bund, und dann wird dieser von selbst folgen.“

„Mein Vater schien diese Worte entweder nicht bemerkt, oder nicht verstanden zu haben; ich aber erschrak heftig darüber, und gieng, um mein Schreken zu verbergen, hinweg. [36] Ich weiß auch nicht, was sie weiter mit einander gehandelt haben.

Nach dem Essen saß Kunz auf, und ritt fort. Mit mir allein konnt er nicht mehr reden, was mir sehr wehe that, denn ich hätt’ ihn gern um den Tag gefragt, an dem er den Schmidelfelder zur Werbung schiken wird. Es ist mir freilich – so sehr mich nach Kunzen verlangt – angst darauf. Ich schäme mich zu tod, wenn ich meinem Vater sagen soll, daß ich einen Mann nehmen wolle.


4.

Ach, liebe, theure Mechthilde! nun bin ich verlohren. All’ meine Freuden, all’ meine Hofnungen sind vereitelt; und Kunz, der liebe, edle Kunz ist für mich – dahin. Denk’, Mechthilde! denk’, ich soll ins Kloster! – Gott ich vergehe unter meinem Kummer, und die schreklichste, die qualvollste Zukunft wartet meiner. Bete für mich, beste Mechthilde! daß ich nicht verzage. Mit ihm hätt’ ich ohne eine Thräne [37] die dürftigste Bettelhütte bezogen; aber ohne ihn ist mir aller Reichthum, aller Pracht, und alles Wohlleben, eitel Greuel und Gestank.

Mein Vater saß gestern Abends drausen unter der Eiche, und ich goß die Pflanzen in meinem Gärtchen neben des Brüke. Die langwührige Dürre hatte sie welken gemacht, und traurig standen sie alle, und auf die Erde gesenkt. Ihr Anblik machte mich so schwehrmüthig, daß ich weinen mußte, und es war mir so eng um die Brust, als befürchtete ich etwas Böses. Plötzlich kam Oswald und rief über den Zaun herein: „gleich soll Fräulein Bertha zum gnadigen Herrn unter die Eiche kommen!“ Ich erschrak und eilte. „Was ist euer Wille, lieber Vater!“ sprach ich ängstlich, „daß du dich, erwiederte er, hier an meine Seite setzest.“ Er hatte den hölzernen Becher in der Hand, den ihm ein Einsiedler bei dem heiligen Grabe geschenkt hat, und trank Wein. Er sah’ so finster und so nachdenkend aus, wie ich ihn nie zu sehen gewohnt bin, als wenn er jemanden etwas [38] widerwärtiges zu hinterbringen hat. Ein Leutpriester von Ellwangen, der erst angekommen seyn mochte, saß bei ihm auf der Bank.

„Heute, sprach mein Vater, indem er mich bei der Hand faßte, ich aber angstvoll zitterte, heute, Bertha! ist Albani Tag, und heute bist du neunzehn Jahr alt. Du weißt, wie schmerzhaft du mir und deiner seligen Mutter geworden bist. Sie gebahr dich mir, um sich selbst von mir zu trennen.“ Hier fieng ich überlaut an zu weinen. – „Ich glaubte schon, sie sey dem Tod entrissen; aber sie fühlte es besser als wir, daß sie schon in seinen Händen sey. Ich kam vier Tage und vier Nächte nicht von ihrem Bette.“ „Bleibe bei mir, sagte sie, Hans! du wirst mich so nicht mehr lange haben! Hans, ich sterbe!“ „und am fünften Tage, als die Sonne aufgieng, verschied sie. In dieser letzten Nacht – ach! es war mir eine schwere, kummervolle Nacht! – hieß sie die Leute alle hinausgehen, und mich allein bleiben.“ „Hans, sprach sie, versprich mir nur noch eins, eh’ [39] ich sterbe; dann sterb’ ich ruhiger.“ – Ich reichte ihr die Hand ins Bett. „Braves Weib, sprach ich, hab’ ich dir je etwas versagt? nie hast du aber auch etwas unziemliches von mir gebeten!“ Du, Bertha! lagest damals mit geschloßnen Augen, in der Wikelbinde, in sanftem Schlummer, neben ihr auf dem Bette. O! wie glüklich warest du, Bertha! daß du nichts von unserm Kummer wußtest. Denn deine Mutter rang schreklich mit dem Tode. Der Anblik war schauerlich. Sie – in der Blüthe des Lebens an der Porte der Ewigkeit; – ich – jeden Augenblik in Gefahr – sie zu verliehren, sie, um die ich wohl zehn Jahre gekämpft und gestritten, und zwo Kreuzfahrten gemacht habe, und dann, kaum so viele Monathe an meiner Seite im Ehebette gehabt hatte. „Hans, sprach sie, auch meine letzte Bitte ist nicht unziemlich; ich bitte dich, widme das Kind, wenn ihm unser lieber Herr Gott das Leben schenkt, seinem frommen Dienste im Kloster.“ – Hier, Mechthilde! erschrak ich, wie wenn man ein Schwerdt in meiner Brust umgekehrt hätte. – „Es kommt [40] mich hart an, fuhr ich fort, deine Bitte zu erfüllen; wenn du stirbst, heirath’ ich nie wieder, und wer soll dann meinen Stamm erhalten?“ „Dein Stamm geht doch unter, erwiederte das sterbende Weib; den kann eine Tochter dir nicht erhalten. Lieber schik’ sie ins Kloster, zu deiner und meiner Seele Trost und Ruh.“ Ich konnt’ ihr’s nicht versagen, und gab ihr meine Hand. Ich hab’ dirs verheimlicht, Bertha! bis auf den heutigen Tag. Ich wollte dich erst die Freuden der Welt geniessen lassen, und es behagt uns kein Genuß, wenn ihn die Furcht begleitet, daß er uns bald entrissen werde.“ Halb unmächtig sank ich an die Lehne des Bankes zurück, und vernahm es nicht, was er weiter sprach.

„Ich soll also ins Kloster?“ – sagte ich, als ich mich wieder ein wenig besonnen hatte, und – ein Strohm von Thränen stürzten aus meinen Augen. „Wenn du ein gehorsam Kind bist, wirst du dich nicht weigern“ antwortete mein Vater; „und solch’ ein heiliges Gelübde, setzte der Priester hinzu, das auf dem Bette eines Sterbenden[WS 1] geschlossen [41] ist, können Menschen einmal nicht wieder brechen, ohne Schaden zu nehmen an ihrer Seele.“ – Ich hüllte mein Gesicht in die Schürze, und weinte bitterlich.

Meinem Vater mochte mein Jammer über die Enthüllung seines Geheimnisses selbst nicht wenig wehe thun. Er sah bestürzt vor sich auf die Erde, und wischte sich ein paarmal die Augen, gleich als ob er selbst geweint hätte. Nun that aber der Pfaff den Mund auf, und erklärte mir mit einem Strohme honigsüsser Worte, wie verdienstlich es sey, die Welt und ihren Tand zu verachten, und im Kloster zu leben, und wie die Gebeine meiner Mutter keine Ruhe unter der Erde haben würden, wenn ich das Gelübde bräche, das Sie in ihrem letzten Hauche noch geschlossen hatte. Darüber erschrak ich freilich sehr, und der Pfaff dünkte mich recht zu haben; aber Kunz – ach! kein Kloster kann mir ihn ersetzen. Ja hätt’ ich ihn nie gesehen, o! so wär’ ich gern von der Burg in die Zelle gezogen; oder hätt’ man mir’s früh genug gesagt, daß ich für’s Kloster gebohren [42] sey, dann hätt’ ich Aug’ und Herz vor ihm bewahren können. Der Pfaff mochte sagen, was er konnte, ich fuhr fort zu weinen, und war auser Standes, auch nur ein Wort zu sprechen.

Als er merkte, daß er nichts über mich vermochte, war er so unverschämt, mich in Gegenwart meines Vaters zu fragen: ob ich vielleicht verliebt sey? – Ich konnt’ mich kaum enthalten, ihn darüber ins Gesicht zu schlagen. Das hätt’ er sich ja wohl von selbst denken können, daß ich nicht so dumm seyn würde, ihm zu gestehen, daß ich verliebt sey.

Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, von Kunzen getrennt zu seyn. Ich stand auf und umfaßte die Knie meines Vaters, und bat ihn schluchzend: „Vater! lieber Vater! ändert euren Entschluß; ich tauge nicht ins Kloster! ich will bei euch bleiben! ich vergehe in der Einsamkeit!“ Mein Vater richtete mich mit einem Blik voll Mitleiden auf; ich wollte gern, sprach er, liebe Bertha! [43] aber ich kann nicht. Gelübde zu brechen, steht nicht in Menschen Macht.“

Ich schwankte durchs Thor hinein, und warf mich in meiner Kammer auf mein Lager hin. Was das für eine Nacht war, Mechthilde! und – ach! wie viel solcher Nächte werd ich noch durchweinen müssen?

Mein Geblüt war in der grösten Empörung, und keinen Augenblik fand ich Rast. Stets stand Kunzens Bild vor mir, in seinem ganzen Reize, und bot mir die Hand, ihm zu folgen. All’ die Wonne, die ich mir an seiner Seite geträumt hatte, stellte sich mir im höchsten Glanze dar, und meine ganze Seele hieng sich fest daran; aber plötzlich fiel mir’s wieder Zentner schwer aufs Herz, daß Kunz und all’ jene Wonne, die mir in ihm bereitet war, für mich verschwunden sey. O! dann wälzte und krümmte ich mich auf meinem Lager, wie ein getrettener Wurm, und girrte und schluchzte überlaut, daß es der Wächter auf die Warte hinunter hören konnte. Lange wog ich den Gedanken zu entfliehen, [44] mich vor Kunzen auf die Knie zu werfen, und ihn um Schutz und Schirm zu bitten; und dieser Gedanke gefiel mir so wohl, daß ich mich ganz in die Ausführung desselben hinein versetzte. Aber da durchblitzte die beängstigende Vorstellung meinen Geist, von der Heiligkeit des Gelübdes meiner Mutter, von meines Vaters Zorn, von meiner armen Seele Untergang, und von den Geisseln, womit die Geister der Hölle den züchtigen, der an der heiligen Kirche zum Schelm geworden ist. Darob entstand eine so große Finsterniß in meiner Seele, daß ich meiner unbewußt aus dem Bette kam, und mich, als ich mich wieder besonnen hatte, auf dem kalten Pflaster liegend, antraf. So rang ich die ganze Nacht mit Angst, Kummer und Verzweiflung, und weinte der Thränen so viele, daß mir die Augen hoch aufschwollen, und mein ganzes Lager durchfeuchtet war.

Ich suche mich nun beim Aufgange der Sonne meines Schmerzens zu entladen, indem ich dir, theure Mechthilde! schreibe. Bete für mich, daß mein Kummer mich nicht gar [45] zu Boden drüke, und laß eine oder mehrere heilige Messen für mich lesen, daß Trost und Hofnung in mein beklemmtes Herz zurükkehren. – Eben hör’ ich den Pfaffen die Treppe herauf kommen. Er pocht an der Thüre. – Bete Mechthilde! daß das Ende meines Kummers nahe sey.


5.

Ich habe gestern viel gekämpft, liebe Mechthilde! noch weit größre Kämpfe warteten aber meiner. Und je mehr ich leide, je inniger wird meine Liebe zu Kunzen. Je mächtiger der Widerstand ist, der sich mir entgegenstemmt, je unbezwingbarer fühl’ ich mich. Aber gerettet kann ich nicht mehr werden; kein Strahl der Hofnung leuchtet in die Finsterniß meines Herzens; ich muß der Gewalt unterliegen. Wenn ich nur Kunzen von meinem Jammer Kundschaft geben könnte! Könnt ich dieß, gewiß, Mechthilde! er befreite mich.

Der Pfaff kam gestern wirklich, wie ich vermuthet hatte. Aber ich schloß ihm die [46] [Kam]mer nicht auf, sondern rief zu ihm hinaus, ich sey krank, und noch im Bette. Nach einer kleinen Weile kam er mit meinem Vater wieder. Da mußt’ ich freilich die Thüre öfnen. Heute erschien mein Vater nicht mehr mit dem holden, mitleidigen Blik, mit dem er mich vorgestern von der Erde aufgehoben hatte. Auf seinem Antlitze lag jene trotzige Entschlossenheit, die er gewöhnlich anzunehmen pflegt, wenn er in einer Sache, die er für gut und gerecht hält, Widerstand findet. Ich sah’ wohl, daß ihm der Pfaff gerathen haben mochte, strenge gegen mich zu seyn, und meine Thränen zu verachten. Auch kam mir’s vor, als wenn er mit sich selbst unzufrieden wäre, vermuthlich weil er nun einsah, wie übel er gehandelt, daß er das Gelübde so lange vor mir verborgen gehalten hat. Ich saß auf dem Stuhle und laß im Psalter, oder vielmehr ich hatte den Psalter in der Hand. Denn vor Schreken über das unfreundliche Antlitz meines Vaters konnt’ ich nicht lesen.

Der Pfaff fragte mich, ob ich mich die vergangene Nacht nicht eines bessern besonnen [47] habe? Der Narr hätte mir das wohl ansehen können. Ich fieng wieder an zu weinen. Er reichte mir ein Kruzifix hin, und sprach: „wer sollte sich weigern, ganz für den zu leben, der am Kreuze für uns gestorben ist?“ Ich riß ihm das Kruzifix ungestümm aus der Hand, küßte es und benetzte es mit meinen Thränen, und seufzte: „Gekreuzigter! erbarme dich meiner!“ –

Der Pfaff fieng wieder eine lange Predigt an, welch’ eine Seeligkeit und welch’ ein Verdienst es sey, im Kloster zu leben, und die arge Welt zu verlassen, und wie ich einst, so ich das Gelübde meiner Eltern bräche, in die unterste Hölle, in den gräßlichsten Schwefelpfuhl hinabgestossen würde. Es war mir lieb, daß der Pfaff unausgesetzt fort predigte, denn ich hätt’ ihm doch nichts antworten können. Er schien meine Störrigkeit zu bemerken, und erklärte mir rund und frei, daß ein Geist aus der Hölle mich verblende. Ja er faßte mich gar an und schrie laut, indem er mich mit der andern Hand kreuzte und benedizirte: „weiche, unreiner Geist! entweihe [48] nicht länger den Tempel des heiligen Geistes.“ Darob erschrak ich, daß mir die Füsse brachen, und sank vor dem Stuhle nieder.

Mein Vater, dem die Weise des Pfaffen auch nicht behagen mochte, drükte ihn mit der Hand zurüke, und stellte sich mit einem schreklichen Ernst, und mit funkelnden Augen vor mich hin. „Es bedarf nun weiter, sagte er, keine Umschweife mehr; kurz – du mußt ins Kloster, du magst dich widersetzen, wie du willst. Um deines Eigensinns willen, soll meine Seele keinen Schaden leiden.“ Er ergrief den Pfaffen beim Aermel, zog ihn mit sich zur Kammer hinaus, und schlug die Thüre zu, daß die Wände zitterten.

Ich war froh, daß ich wieder allein war, und mich den Ausbrüchen meines Kummers ungehemmt überlassen konnte. Ich legte mich wieder auf das Bett nieder, und weinte, betete, seufzte, und schrie auch wohl gar laut auf, je nachdem eine Empfindung mein peinvolles Herz durchkreuzte. Allmählich sank ich in eine gewisse gefühllose Stumpfheit des Geistes, [49] mit Trotz gemischt, und lag unbewegt unter meiner Zentner schweren Bürde. Ich dachte mir mit einer gewissen Behaglichkeit, alles, was ich je von Ungerechtigkeit und Untugend unter dem Monde gesehen habe, und fühlte mich ergrimmt über alle Menschen, die ich kenne und nicht kenne. Ich bestrebte mich etliche mal, mich zur Unterwerfung unter die Nothwendigkeit zu zwingen; aber blitzschnell erschien Kunzens Bild vor meinem Blike, löschte durch seine Schönheit alle andre Vorstellungen in meiner Seele aus, fesselte meine Einbildungskraft, riß die alten Wunden auf, und erpreßte die versiegten Thränen wieder.

Abends stellte ich mich in das Fenster, um meinem beklemmten Herzen durch die Aussicht ins Freie Luft zu machen. Freudig rauschte der Kocher im Thale hinunter, und muthwillig schwirrten die Schwalben im Hofe umher. Deß ward ich noch trauriger als zuvor, und aufs Neue rollten die Zähren aus meinen Augen. „So dacht’ ich, werd’ ich auch oft in meiner einsamen Zelle den [50] fernen Gesang der Freiheit und der Liebe behorchen, während mir die Fesseln der Gefangenschaft tiefe Wunden in Hände und Füsse drüken! – Werd’ oft die frohen Knechte und Mägde auf der Wiesen lachen und scherzen hören, während ich Kunzens Verlust beweine, und er an der Seite einer andern wonnereiche Tage lebt!“ – Ich ward schwermüthiger als zuvor, und sank wieder auf mein von Thränen feuchtes Lager zurük.

Ein neuer Sturm, schrecklicher als alles, was ich zuvor erlitten hatte, zog unterdeß über mir zusammen.

Schnaubend von Zorn stürzte mein Vater in die Kammer. Seine Augen schienen Feuer zu sprühen. „Nun – brüllte er, – nun heillose Dirne! ist dein Geheimniß verrathen! – wie konntest du dich an einen Mann hängen, ohne mir’s zu offenbaren? – Da hab’ ich wohl den Bok zum Gärtner gesetzt. – Das ist mir ein feiner Burghüter, der des Burgherrn Tochter zur Unzucht verführt. – Derb, wart’ er nur – derb will ich ihm [51] seine Tüke bezahlen! Und du schlechte Maid – pake nur ein – Morgen must du fort nach Gotteszell! da magst du deine Unzucht büssen, und deinen Ungehorsam! – Lohnst du mir so meinen väterlichen Sinn, meine Liebe und meine Treu? –“ So sprach er in seinem Zorn noch viel strafender Worte, und ließ mich nicht zur Rede kommen. Ich weinte in mein Tuch, und saß starr von Angst und Schreken auf der Fußbank an meinem Bette. Als er schon zur Thüre hinaus war, stieß er sie wieder auf, und rief noch einmal mit einem grimmigen Blike herein: „Mein Angesicht sollst du unzüchtige Dirne – nicht mehr sehen! –“

Das that mir alles tief in der Seele weh, und das Bewußtseyn meiner Unschuld konnt’ mir in meinem großen Jammer keine Ruhe geben. Aber begierig war ich, zu wissen, wie der Verdacht gegen Kunzen in ihm erregt worden seyn möchte. Anna, die Magd, brachte mit zu trinken, und da fragt ich sie, ob mein Vater heute nicht ausgeritten sey? „Nein, sagte sie, aber ein Ritter war mit [52] einem Knechte bei ihm, der wohl Jörg von Hirnheim gewesen seyn mochte.“ Nun war das Räthsel gelößt. Zwar kann Jörg von meiner Liebe zu Kunzen kaum etwas sicheres wissen, aber weil er ihn haßt, aus Neid, und mich, weil ich einst seine Liebe verschmäht habe, so nahm er von der Burghut Veranlassung, um uns beide bei meinem Vater zu verläumden. Gott wolle es ihm vergeben!

Die Nacht durch hab’ ich viel gelitten. Es kam kein Schlaf in meine Augen. Doch gab mir Gott die Gnade, daß ich wieder beten konnte. Auch bin ich itzt ein wenig ruhiger, und unterwerf mich meinem harten Loos, da ich ihm nicht mehr entrinnen kann. Ich wünsche allen – und besonders Kunzen und dir – allen, die ich in der Welt hinterlasse, Segen und Glük, und alles Gut’s. Mög’ es Kunzen wohl gehen, und – doch ach! zu einem andern Weibe kann ich ihm unmöglich Glük wünschen. Vielleicht aber sterb ich bald; ich kann meinen Kummer sehr lange nicht ertragen. Sage dann, liebe Mechthilde! sage dann Kunzen, daß ich [53] aus Liebe zu ihm gestorben sey, und weine mir auch noch eine Thräne nach. Gelt – Mechthilde! ich bin doch die schlechte Dirne nicht, zu der mich der Pfaff und mein Vater, und der elende Hirnheim machen wollen? Bin ich mir doch nichts böses bewußt; und das kann wohl schwerlich ein Verbrechen seyn, daß ich Kunzen so lieb habe. Denn ich liebe ihn so rein und fromm, wie sich unschuldige Kinder lieben.

Bete für mich, Mechthilde! daß sich Gott meiner erbarmen wolle!


6.

Ich bin noch hier, Mechthilde! aber morgen mit dem Aufgang der Sonne zieh’ ich fort. Es steht auch der Wagen schon im Hofe, und eben laden die Knechte den Kasten auf, in dem sie meine Haabe verwahrt haben. Nun wäre also mein Schiksal entschieden; keine Hofnung lächelt mir mehr, und Kunzens Braut wird morgen eine Nonne seyn.

Man hat mich zum Kloster gezwungen, und mein Herz mit Gewalt von einem Manne [54] losgerissen, durch den ich allein hätte glüklich werden können. Gott woll’ es ihnen vergeben! Dem ehrlosen Hirnheim schreib’ ich mein Unglük am meisten zu. Denn hätt’ er mich bei meinem Vater nicht angeschwärzt, so hätt’ ich wohl noch einige Zeit hier verweilen dürfen, und die Zeit hätte noch viel ändern können. Auch wäre mein Vater nicht sogar über mich ergrimmt, und im Frieden hätt ich leichter mit ihm handeln können als im Zerwürfniß, da ich gar sein Angesicht nicht mehr sehen darf. Ich will alles leiden und dulden, so hart mir’s fällt, und sprechen: sein Wille geschehe! Freilich bäumt und empört sich mein Herz noch immer, wenn ich meinen Verlust bedenke. Ach er ist gar zu groß! den schönsten, den edelsten Ritter zu eigen haben, und ihn verliehren, und eine Nonne werden – wem fiel das nicht hart, nicht unerträglich hart? –

Recht fromm will ich seyn im Kloster, viel singen und beten, und mir gleich meinen Sterbekittel zubereiten; und immer an Kunzen denken. Da will ich mir ihn vorstellen, [55] wie ich ihn das erstemal sah, als er von der Romfarth zurüke kam, und Herberge nahm in unsrer Burg; wie er mir seine Liebe erklärte, auf der Trinkstube auf den Rosenstein, und nachher in dem Hause der Luidgard von Wöllwarth zu Berg; wie er den Nordgauer warf auf des Schenken Burg, und mir Treue schwuhr auf der Bank an der Brüke; wie er mich in die Arme schloß und an seinen Busen drükte, an den Kocherfurth, als er zu Vahenstein nach Adelmannsfelden ritt; – und wie er mir der süssen Hofnungen in der künftigen Ehe viele machte, bei der Burghut, als mein Vater zum Probsten gerufen ward. – Die Klosterfrau Jutta von Ravenstein weiß allerhand schöne Figuren auf Leinwand zu stiken. Ich werd’ sie bitten, daß sie mir Lehre gebe in dieser Kunst. Dann bereit ich mir das Tuch, in das einst mein Leichnam gewikelt werden soll, und stik’ all’ diese Geschichten darauf mit schwarzem Garn, daß ich also ihr Andenken im Leben und im Tode feiere.

[56] Indem ich schreibe, kommt der Knecht, der mir dein Briefchen überbringt. Ich dank’ dir für deinen Trost, Mechthilde! und für deine Liebe, und für die Thränen, die du um meinetwillen weinest. Gott vergelte dir alles Gute, deß du mich werth hälst. Du bist der einzige Mensch, der meines Kummers Ursache kennt, und der einzige, der mit mir weint. Aber wie konntest du mir sagen: ich soll Kunzen vergessen? Das, Mechthilde! das ist eben soviel, als wenn du einem Todten ins Grab rufen würdest, er soll auferstehen. So wenig er dieses vermag, so wenig vermag ich jenes.

Heute Vormittag kam mein Herz wieder in eine große Unruhe, und ward von Angst und Furcht bestürmt, wie das Herz eines Missethäters, den man dem Rabenstein entgegenführt. Ich trat von Ungefähr ins Fenster, und sieh’! Kraft von Schmidelfeld kam den Hügel herangeritten. Ich sank halb unmächtig auf den Stuhl zurük. Nun dacht’ ich, wird Kunz durch ihn sein Wort erfüllen, und um mich werben; nun wird meines [57] Vaters Zorn aufs Neue entflammt, und gräßlicher als zuvor wird er nun über mich ausbrechen. – Wäre ich eine Mordbrennerin, oder eine Zauberin, oder eine Kindesmörderin gewesen, es hätt’ mir nicht bänger seyn können. Unstät lief ich in der Kammer umher; bald trat ich ins Fenster; bald horcht’ ich an der Treppe; mein Herz schlug mir laut, daß es schalte; meine Haut war rauh vom Schauer, und alle meine Glieder zitterten. Ueber eine Stunde war ich wohl in dieser Todesangst gewesen, als ich Kraften wieder am Wasser hinunter reiten sah. Er jagte schnell, wie ein flüchtiger Räuber, und das Roß warf mit jedem Sprung Rasenstüke aus der Wiese in die Höh’. Bei all’ meiner Angst that mirs doch wohl Kunzens guten Freund zu sehen, und zu merken, wie treulich er sein Wort erfüllte. Da war meine Liebe wieder sehr brünstig. „Ach – dacht’ ich, du guter Kraft! säß’ ich hinter dir auf deinem fahlen Pferde! flög ich mit dir auf seine Burg!

Indem ich ihm unter lauten Seufzern noch gierig nachblikte, trat Oswald in die [58] Kammer. „Einen Gruß, sprach er, vom Ritter Kraft an Fräulein Bertha; und Glük zum Zug ins Kloster!“ „Was hat, fragte ich ihn ängstlich, Kraft hier zu schaffen gehabt?“ „Er kam, erwiederte der Knecht, aus eitler Neugier, um Kunde einzuziehen von Götzen, der zu Aalen im Verhaft sitzt.“ – „War nicht auch von mir die Rede?“ – fuhr ich fort. „Ja, sprach der Knecht, euer Vater erzählte es ihm, wie hart es euch werde, ins Kloster zu gehen, und wie er seinen Nachbarn Kunz um eurethalben in nicht geringem Verdacht habe; auf das schien Kraft mißmuthig zu werden, beurlaubte sich plötzlich und saß auf.“ – Nun war ich erst begierig, alles zu wissen, und that noch viele andere Fragen an den Knappen, womit ich ihm aber wohl mein Inneres verrathen haben mag; denn der Knapp ist nicht wenig schlau, und wenn er einmal eine Spuhr gefunden hat, verliehrt er sie selten wieder. Doch war ich meiner Angst los, weil ich nun wußte, daß er seine Werbung nicht angebracht hat. Um deßwillen kam er sonder Zweifel; aber als er meines [59] Vaters Sinn, wegen des Gelübdes vernommen hatte, wird ers für unräthlich gehalten haben, Kunzens Willen zu erklären, aus Schonung gegen mich und ihn.

Aber, sieh! Mechthilde! wie mich das bängen muß; morgen soll ich ins Kloster, und heute war der Werber da, der mich zur Frau erbitten wollte für den Mann, an dem meine ganze Seele hängt. Noch diese Probe von Treue sollte von Kunzen mir gegeben werden, um auch fester an ihn zu fesseln, damit der Riß von ihm, desto gewaltsamer und heftiger seyn mußte. – Ja ich bin wohl eine arme Bertha, die alles Mitleiden verdient! Gott! wie ist mein Gang in die Zelle so bitter! Ach stürb’ ich doch auf dem Wege! – Keine Zelle ist so finster und so klein, daß sich darinn nicht stets seine Gestalt vor meinen Augen abbilden könnte. Laß mich weinen, Mechthilde! – laß mich weinen! –


Später.

Nun ist es Nacht, Mechthilde! – Noch eine kleine Weile, und ich sitze in meiner [60] Zelle, und beweine mein widriges Geschik. Jedem Elenden lächelt noch Hofnung; aber mir keine, und ach! mein Herz hängt doch so fest an ihm. Je weiter ich von ihm entfernt werde, je mehr fühl’ ich mich zu ihm hingezogen. Oft denk’ ich mich auf seine Burg und in seine Arme, höre Worte voll Süssigkeit aus seinem Munde, hör’ aufs Neue den Schwuhr der Liebe und der Treu, fühle mich glüklich in diesen Gedanken; – aber plötzlich werd’ ich aus dem schönen Traume aufgeschrekt, und zürnend über meine Täuschung, und laut schluchzend, werf’ ich mich auf mein Lager hin.

Mit meinem Vater hab’ ich doch noch geredet, und bin dadurch viel ruhiger geworden. Denn ich habe nun eine Last weniger, und darf ihn nicht mit dem Bewußtseyn verlassen, daß er unversöhnt, und über mich ergrimmt geblieben. Das hätt’ mir doch auch manche bange Stunde gemacht, und ach! – es warten sonst schon ihrer so viele auf mich. Er war mir auch ganz freundlich und hold. Als ich ihm die Hand zum Abschied gab, [61] sah’ ich die Thränen in seinen Augen glänzen. „Ich thu’ es aus Gehorsam gegen euch, sprach ich, freilich fällts mir hart, aber gehorsamen Kindern ist die Verheissung gegeben.“ Er drükte mir mit inniger Wärme die Hand und erwiederte: „gieb dich zufrieden, Bertha! Gott und die lieben Heiligen werden bei dir seyn, und es wird dir leichter werden, als du itzt wähnest. Bete fleißig und sey fromm, und deinen Obern gehorsam, und traue unserm lieben Herrn, und der heiligen Jungfrau. Du weißt es, man erlangt keinen Sieg ohne Kampf, und der Friede muß oft durch den Krieg erstritten werden. Freilich – – –“ Hier wandte er sich um, und gieng langsam der Thüre zu. Ich weinte ihm viele Thränen nach, die Treppe hinunter.

Aber, sieh’! ein neu Ungemach hat er mir neben dem Troste, den er mir zusprach, verkündet. – Jörg von Hirnheim soll mich nach Gotteszell geleiten, dieser Ehrlose, der meines Vaters Zorn über mich erregt, und Kunzen böse Leumund bei ihm [62] gemacht hat. Ich schwieg dazu; aber mein Herz bebte vor diesem Gelaitsmann zurüke. – So muß mir eben alles, bis aufs kleinste hinaus, meine Tage verkümmern.

Nun, Mechthilde! gute Nacht! komm doch bald nach Gotteszell herunter, und trokne meine Thränen. Wenn ich dich durch die Porte sehe hereingehen, werd’ ich glauben, es komm’ ein Engel. Bist du doch meine einzige Vertraute, vor der ich mich meines Kummers entladen darf. Ach möcht er bald vorüber seyn, und mit mir verscharrt werden in meinem Grabe! Auf der Welt find ich so nirgends Ruh’ als bei Kunzen, und der ist auf immer für mich dahin!! –


7.

Denk – Mechthilde! denk, ich hier zu Kransperg und – Kunzens Weib. – Du wirst glauben, ich sey wahnsinnig geworden, oder ich träume; aber, sieh! es ist lautre Wahrheit. Ich habe heute Nacht bei ihm in seinem Bette geschlafen, und wirklich [63] steht er neben mir am Tische, und wundert sich hoch darüber, daß ich schreiben kann. Nun besitz ich den Schatz; – die Leiden, die ich seinethalben geduldet habe, wären ein geringer Preis um ihn, aber freilich werden sie noch nicht alle vorüber seyn. O, Mechthilde! es bangt mir schreklich, so sehr er mir auch Trost einspricht. Doch bin ich glüklich, daß ich ihn habe. Entrissen kann er mir nun kaum mehr werden, und an seiner Hand trotz’ ich jedem Sturm. Er trägt das Schwerdt; mag er nun für mich kämpfen.

Unter vielen Thränen und mit gepreßtem Herzen zogen wir, als die Sonne den ersten Strahl hinter dem Berge hervor schoß, von Wöllstein weg. Ich saß auf dem Wagen, auf dem sie meine Haabe führten, und Anna neben mir. Hirnheim ritt voraus, und zween seiner Knappen gelaiteten uns. Wir – ich und Anna – beteten beständig, und es schien mir durch das Gebet der Abzug leichter zu werden, als ich zuvor geglaubt hatte. Da wir aber die Anhöhe erreicht hatten, wo man weit ins Kocherthal [64] bis zu Kunzens Burg hinabsieht, da schossen die Thränen wieder in meine Augen, ich begann laut zu weinen, und rang kummervoll die Hände. Das ganze Thal war mit einem dünnen Rauch bedekt, aus dem die finstern Gehölze traurig hervorragten. Auch seine Burg konnt’ ich wegen des Rauches nicht sehen; aber sehnlich hieng mein Auge auf der Gegend, in der sie liegt, und mein Herz war bei ihm in seiner Stube. Trostlos und kleinmüthig ward ich, wie ich es zuvor nie gewesen bin. Ich lehnte mich an den Busen der Magd, und vergoß tausend bittre Thränen in ihren Schooß.

Der Zug gieng schnell über die Ebene fort, und zu Horn wieder ins Thal hinunter. Je näher wir dem Gotteshause kamen, je gepreßter fühlte ich mein Herz. Als wir längst dem Flusse hinfuhren, erwachte in meiner Seele sogar der Gedanke, ob ich nicht vom Wagen springen, und mich im Wasser ersäufen sollte? Ich entsetzte mich selbst ob diesem Gedanken, den ein böser Geist mir eingegeben hatte. – Du weißt, daß nicht [65] weit davon, auf der Haide zu Schönhart der Böse um Mitternacht sein Wesen treibt – und fieng an mit den Magd das Credo mit lauter Stimme wieder zu beten. Aber hier, wo meine Noth am größten war, war die Hülfe nur am nächsten.

Links, hart am Wege, fließt in einem tiefen steinigten Grunde die Lein; rechts senkt sich ein waldigter Hügel, bis an den Weg herab. Hinter uns und vor uns waren wir mit dichtem Gebüsche umgeben. Jenseits der Lein aber sahen wir ins Freie, wo etliche arme Leute ihre Stiere auf der Wiese weideten. Hirnheim ritt vor dem Wagen, und die beiden Knappen hinter uns.

Plötzlich hört’ ich ein Geräusch im Gebüsche. In dem nämlichen Augenblik sah’ ich zween geharnischte Reuter mit blosen Schwerdten von der Seite auf Jörgen losstürzen, und wie vom Blitz geschrekt, giengs mit Mann und Pferd über die Anhöhe in den Fluß hinunter. Der eine von den Reutern hieb den Rossen am Wagen die Stränge ab, [66] und der andere setzte mit einem wilden Schrei dem Fuhrmann das Schwerdt auf die Brust, der angstvoll die Peitsche sinken ließ. Ich hatte beim blitzschnellen Anfall noch so viel Geistesgegenwart, daß ich mich nach unsern Knappen umwandte; sah’ sie aber im Gefecht mit andern Reutern, die sie im Rüken angegriffen hatten. Indeß war der eine Reuter rükwerts mit dem Pferde zwischen die Bäume und den Wagen gedrungen, und nun erblikt’ ich plötzlich die weiße Feder, und das glänzende Helm, und mein Kruzifix am Schwerdtgefässe, und hörte seine Stimme: „sitz’ – Bertha! sitz’ auf! ich bin Kunz! – es hat Eile! –“ Und ohne mich erst zu besinnen, sprang ich vom Wagen hinter ihn aufs Roß, und schneller als der Vogelflug gieng es bergan. Nach einer kurzen Weile gelangten wir im Dikicht der Wälder zu dem Kohlhaufen, den Kunz zum Vereinigungspunkte seiner Knappen ausersehen hatte.

Wir stiegen ab. Schweigend sahen wir uns an, und keins konnt aus Staunen über die Geschichte, die Rede beginnen. Gern hätt’ [67] ich in Gegenwart der Knechte die zugleich mit uns eintrafen, den frommen Ritter umarmt und geküßt, und ihm gedankt für seine Liebe und für meine Befreiung. Aber ich war starr, wie ein Halbertrunkener, den man aus dem Wasser gezogen hat. Auch ihm schien es so zu Muthe zu seyn. Er lehnte sich, mir gegen über, an einen Stamm, und gürtete am Wehrgehänge, indem er ernsten Blikes gen Himmel sah. Erst über eine Weile nahm er mich schüchtern bei der Hand, und sprach: „ist dir’s lieber, Bertha! auf meiner Burg, als im Kloster?“ Ich antwortete ihm mit einem Seufzer. „Gieb dich zufrieden, fuhr er fort; ich will deinen Vater und die Kirche versöhnen. – Laßt uns aufsitzen, Knappen! daß wir an sichre Stelle kommen.“ Der Zug gieng langsam durchs Gebüsche bergab. Wie ritten zeitig zu Kransperg ein, und Kraft empfieng uns auf der Brüke mit lautem Rufe: „Glük dem Sieger und der Befreiten! Glük dem Bräutigam und der Braut!“ –

[68] So bald wir auf die Trinkstube hinaufgekommen waren, fertigte Kunz einen Boten an den Pfaffen zu Laufen ab, daß er ungesäumt im Kirchenschmuk erscheinen sollte, um ihn mit einem fremden Fräulein zu trauen. Darob erschrak ich dergestalt, daß ich mich nicht verwehren konnte, beiden Rittern meinen Schreken kund zu thun. Aber sie lachten mir ins Angesicht, und sprachen mir Muth ein. „Ihr seyd ein Weib, Bertha! sprach Kraft von Schmiedelfeld, und macht euch, wie die Weiber pflegen, Grillen ohne Nutz. Glaubt ihr, daß wir zu schwach seyen, euch zu schützen? Schwerdt und Lanze ist uns nicht vergeblich gegeben!“ Damit benahm er mir aber meine Besorgniß nicht. Ich kenne meinen Vater, und weiß, daß er das ihm erwiesene Unbild mit Blut zu bedeken suchen wird. Auch wird er sich nie mehr mit mir versöhnen, und sein Fluch wird mich quälen Tag und Nacht. Dazu ist noch ein heiliges Gelübde gebrochen, und welcher Segen kann auf Eidesbruch folgen? – All’ das, und noch viel mehr, sagte ich den Rittern, und stand jämmerlich im Gefühle meiner [69] Noth. Aber Kraft erklärte alles für leeres Schrekbild. „Wir wollen für euch fechten, Bertha! sprach er; es wird euch kein Haar gekrümmet. Die Kirche ist bald versöhnt. So bald wir eure Mitgabe nach Gotteszell schiken, so wird man euch selbst nicht mehr verlangen. Zudem ist es durch die Gesetze des Pabstes und des Kaisers verboten, daß man jemand mit Zwang und Drang ins Kloster führen soll; und hat man euch nicht Zwang angethan? – Auch ist das Eheverlöbniß mit Kunzen eher geschlossen, als euch das Gelübde eurer Eltern kund gethan ward; und dies Gelübde konntet ihr nicht erfüllen, ohne jenes zu brechen, das eben um deßwillen, weil es eher gemacht wurde, heiliger ist, als dieses. – Zudem kenn’ ich’ den Haak von Wöllstein. Er braußt schnell auf, aber er wird auch bald wieder stille, und dann nimmt er wohl auch Rath an.“ – Was Kraft sagte, dünkte mich alles wahr und tröstlich, und mein Herz ward auch in der That ein wenig ruhiger. Nur die Furcht vor meines Vaters Zorn konnt’ er nicht mindern, und ich ließ auch [70] nicht ab, bis er mir sein Wort gegeben hatte, gleich nach der Trauung nach Wöllstein zu reiten, und im Frieden mit ihm zu handeln.

Indeß war der Pfaff gekommen. Ich ward blaß, wie eine Leiche, als er zur Thüre eintrat, und es fiel mir äuserst schwer aufs Herz, getraut zu werden mit einem Manne, ohne meines Vaters Willen, und ohne seinen Segen. Ich zitterte wie das Laub des Baumes, den der Sturm bewegt, als ich ihm die Hand gab, und weinte unaufhörlich, während der Pfaff laß und betete. Es dauchte mich immer, der Geist meiner Mutter stehe hinter mir, und peinige mich, wegen ihres Gelübdesbruch. Gleich nach der Trauung ritt Kraft fort, und ich gieng mit Kunzen in die Kapelle auf den Heerberg hinaus, wo wir beide kniend vor dem Altare bei einer Stunde beteten.

Den Nachmittag aber ward ich durch Kunzens Gespräche ziemlich heiter. Ich schmiegte mich recht traulich an seine Seite, hieß ihn meinen lieben Kunz und er mich seine [71] liebe Bertha! und ließ meiner brünstigen Liebe zu ihm freien Lauf, weil er doch nun mein Mann war. Ich überredete mich, mein Vater werde durch Krafts Vorstellungen besänftigt, sein Jawort geben, und war deß so sicher, daß ich allmählich ganz froh und lustig wurde, und ihn in hoher Wonne umarmte und küßte. Ich mußt’ ihm all’ meine Noth wegen des Klosters erzählen, und er erzählte mir, wie er mit Kraften den Anschlag zur Entführung gefaßt, und mit dem Entschluß ausgezogen sey, entweder das Fräulein heimzuführen, oder zu sterben. Er gieng mit mir in der ganzen Burg herum, zeigte mir seine Pferde, sein Vieh, und die Rüstkammer, und erklärte mir, welch frohes und glükliches Leben in der Zukunft unsrer warte, wenn erst Friede und Ruhe hergestellt seyn würde. Darob vergaß ich alles, was mich zuvor betrübt hatte, und freute mich meines tapfern und frommen Ritters.

Aber all’ die eitlen Hofnungen, die ich mir leichten Sinnes gemacht hatte, verschwanden wie Wasserblasen, als Kraft abends [72] wieder zurükekam. „Kunz – Kunz! – sprach er, als er in die Stube trat, bereite dich zu einer schweren Fehde! Hans zürnt wie ein verwundeter Löwe. Sein Grimm ist unversöhnlich. Gut und Blut, sagte er, woll’ er wagen, um dir das Fräulein zu entreissen. Ich mochte sagen, was ich wollte, er hörte mich nicht einmal. Und als ich nicht abließ, fuhr er schäumend auf mich los, brüllte: du bist auch einer seiner Genossen! – und hin warf er den Handschuh zu meinen Füssen, daß es klirrte. Wir wollen deiner warten, erwiederte ich, ohne Furcht, und den Spahn durch den Kampf entscheiden. Hirnheim war noch viel mehr aufgebracht, und fluchte und schimpfte, wie alle feige Buben, die, da sie mit dem Schwerdte nicht zu fechten wissen, mit dem Munde lästern. Es ist nun nichts übrig, Kunz, als daß wir uns ungesäumt zum Streite rüsten. Hier hast du meine Hand! – ich steh’ bei dir mit Leib und Gut und Leben!“

Stell’ dir nun, Mechthilde! meinen Jammer vor, meinem Mann schon am [73] Tage meiner Trauung von meinem leiblichen Vater Fehde geboten zu sehen. Unterliegen wir, o! wie gräßlich wird dann mein künftig Schiksal seyn! Doch ich traue seinem Muth und seiner Tapferkeit, und sollt’ ich auch mit ihm sterben, so muß der Tod süß für mich seyn. Er und Kraft sprachen mir mächtig zu, und ich bin nun auch entschlossen, standhaft das Ende zu erwarten. Siegt er, nun so hab’ ich ihn und bin – der Zorn meines Vaters wird doch verlöschen – bin glüklich; unterliegt er, so will ich mit ihm sterben, und im Grabe die Ruhe suchen, die mir auf der Erde nicht zu Theil ward.

Kraft liegt nun mit all’ seinen Knappen hier, und bis Morgen wird auch der Schenk an der Spitze eines gewaltigen Haufens kommen, vermöge des Verbandes, in dem er als Lehnsherr und Bundsgenosse mit Kunzen steht. Die Macht meines Vaters ist klein gegen die Unsrige. Denn Götz von Ahelfingen kann ihm nun nicht beispringen; er aber, und Hirnheim und der Haak von Luschnaw stehen nicht gegen [74] Kunzen, und Kraften und gegen den Schenk.

Wenn nur die Fehde schon vorüber wäre! Ach! es fällt mir äusert schmerzlich, daß um meinetwillen Blut vergossen werden soll. Ich kann nun nichts thun, auser hoffen und beten.


8.

Wie heftig der Zorn meines Vaters ist! Mechthilde! – Er vergißt Gesetz und Ehr’ und nimmt Rache an Leuten, die all’ deß keine Schuld haben, darob er zürnt; und Hirnheim will die Schande seiner Feigheit deken, indem er Wehrlose im Schlafe überfällt, und Friedliche befehdet. – Der Elende!

„Schlaft nur ruhige in eurem Bette, sprach Kraft gestern Abends. Hans ist ein Rittern von Ehre, und dem Gesetze des Kaisers gehorsam. Er kommt nicht wie der Dieb unter dem Schutze der Nacht, und nicht ohne Kunzen erst die Fehde angesagt zu haben. Wir ziehen die Brüke auf, und zween Knechte [75] halten Wache auf dem Heerberge. Schlaft ruhig; es wird uns niemand stöhren!

Nach Mitternacht kamen die Wächter an die Brüke, klopften, bis es die auf der Reutersstube hörten, und riefen ihnen herein, daß sie im Thale, aussen bei der Mühle, wohl sechs Fakeln hin und her gehen sehen. Die Knechte in der Burg sahen, wie sich die Fakeln am Kocher hinauf bewegten, und während sie zuschauen, hören sie ein Zettergeschrei, aus der Ferne: Hülfe! Hülfe! – Sie wekten die Ritter. Indem diese die Harnische anzogen, sah’ man plötzlich das Feuer in der Mühle durchs Dach hinausschlagen. Alles ergrief die Waffen, und eilte der Brandstätte zu. Ich blieb bei den Knechten zurük, die die Burg bewahrten. Voll Angst stand ich im Fenster, ungewiß über des Brandes Ursach, und fürchtete für Kunzen viel Böses

Mit dem Anbruch des Tages kam er zu meiner großen Freude wieder zurük, und erzählte mir, was sich zugetragen hatte. – Sie beschlossen nämlich zu Wöllstein, den [76] Pfaffen von Laufen, der mich mit Kunzen getraut hatte, in seinem Hause aufzuheben: gefangen zu führen und zu züchtigen. Hirnheim, der wohl meinem Vater diese unritterliche Rache mochte eingegeben haben, ward abgefertigt, oder bot sich an, den Pfaffen zu fahen. Er erschien mit der einbrechenden Nacht jenseits des Kochers im Thale, und schikte einen seiner Knechte herüber in den Pfarrhof, um den Pfaffen hinterlistiger Weise ins Freie zu bringen. Diesem ward aber die Antwort, daß er eben in die Mühle geholt worden sey, um einem Sterbenden die Wegzehrung zu reichen. Das war den Räubern eben recht, weil sie hier, da die Mühle ganz einzeln steht, den mindesten Widerstand zu befürchten hatten. Sie drangen gewaltsam ins Haus, um den schuldlosen Priester herauszunehmen. Der Müller aber mit seinen Leuten setzte sich zu Wehr und schlug sich lange mit den Knappen. Aber die Vertheidiger der Unschuld unterlagen der Uebermacht, und mußten, um nicht gar durch die Spieße gejagt zu werden, die Flucht ergreifen. Der Kranke war zum Glük vor der Ankunft der [77] Räuber schon gestorben, und sein letztes Stündlein ward ihm nicht mehr durch diesen schandbaren Ueberfall verbittert. – Aus Rache gegen den Müller, weil er sich eines Dieners Gottes angenommen hatte, ließ Hirnheim alles in seinem Hause verderben. Seine Knechte schlugen die Oefen ein, zerbrachen Töpfe und Krüge, warfen die Frucht ins Wasser, zertraten die Eier, und stekten vor ihrem Abzuge noch die Scheure des Müllers in Brand. All’ sein Heu und viel Vieh gieng im Rauch auf, und kaum konnte man sein Wohnhaus noch vor der Flamme bewahren.

Kraft und Kunz behaupten, daß durch diese schlechte, hinterlistige That sich mein Vater seine Sache selbst am meisten verdorben habe. Denn der nächtliche Ueberfall, sagten sie, sey wider Ordnung und Ehre und die größte Verletzung der Ritterpflicht; dem Mordbrenner sey vom Kaiser die Strafe der Acht zuerkannt, und wer Hand an einen Diener der Kirche lege, falle in den Bann. – Doch all’ deß konnt’ ich mich nicht erfreuen, [78] hätt’ mir auch die Uebereilung meines Vaters noch tausendmal mehr genützt. Denn es fiel mir schmerzhaft, ihn Recht und Pflicht vergessen, und nach räuberischer Weise handlen sehen. Indeß glaub’ ich aber doch, daß die ehrlose That mehr Jörgen zu schulden kommt, als ihm; wenigstens geschah die Verderbniß im Hause und der Brand allein auf sein Anstiften. Dafür haben sich aber auch Kunz und Kraft aufs heiligste verschworen, die strengste Rache an ihm zu nehmen, und ihn aufs empfindlichste zu züchtigen, für den verrätherischen Streich.

Indem wir so redeten, kam der Haufe des Schenken den Heerberg herangezogen. Ich erschrak ob der Menge der waffenfähigen Leute, und ob ihrer fürchterlichen Rüstung. Der Schenk führte selbst den Zug, und in seinem Gefolge waren ausser dem Junker, den sie erst wehrhaft gemacht, noch Otto von Schwabenburg, Walther von Unmuß, und Utz der Senft.

[79] Kraft erzählte dem Schenken, als er noch nicht abgestiegen war, Hirnheims schändliche, verrätherische That. Deß war der Schenk sehr böse, und die Edlen, die mit ihm gekommen waren, sprachen viel drohender Worte über den Mordbrenner aus. Das freute mich, daß der Schenk meinen Vater entschuldigte. „Daß er den Pfaffen holen ließ, sprach er, geschah’ wohl von ihm in der Hitze; aber hätt’ er selbst den Zug geführt, es wär’ wahrlich den armen Leuten kein Leid geschehen. Denn Hans hat nie ehrenwidrig gehandelt. – Aber schwer soll’s dem leichten Buben werden, daß er sich nicht entblödete, so zu hausen, auf den Gütern limburgischer Mannen! –“

Ich stand unter der Thüre und weinte, als der Schenk in den Hof herein kam. Er sah’ mich gar holdselig an, und gab mir beim Gruße die Hand. Ich glaubte, er würde zürnen, über Kunzens Wagestük; aber er redete sehr freundlich mit mir. „Weint nicht, Bertha! – sagte er; wär’ es doch Schade, wenn eine so schöne Frau, wie ihr seyd, [80] hätt’ ins Kloster wandern müssen! – Weint nicht. Seht, welch’ ein Haufen tapfrer Leute zu eurem Schutze bereit stehen. Es soll euch kein Leid geschehen, und euer Vater wird wohl auch wieder gut werden, ob er itzt gleich zürnt.“ – Diese Worte gaben mir großen Trost, und es ist mir um derselben willen der alte graue Herr gar lieb geworden.

Nun laß mich aufhören, Mechthilde! Ich habe das Haus voller Leute. – Bis Abend etwa werd’ ich den Brief vollenden können.


Abends.

Dacht’ ich’s doch, daß mein Vater der verrätherischen That nicht fähig war! – Kaum waren die fremden Ritter und Knechte bei uns eingezogen, – die ersten sassen eben beisammen, und hielten Rath wegen der Fehde – so kam der Pfaff von Laufen eiligst wieder den Hügel herauf, und verkündigte den Rittern seine Freiheit. „Hansen von Wöllstein, sprach er, war alles unbewußt, was Jörg von Hirnheim unternommen hatte. [81] Jener mochte etwa gesagt haben: hätt’ ich nur den Pfaffen, daß ich ihn züchtigen könnte für die von ihm bestättigte Winkelehe! – Auf das schliech sich der Hirnheim mit seinen Knappen fort, um an mir armen, wehrlosen Mann ein Meisterstük seines Muthes abzulegen, und drausen auf der Mühle Mordbrennerei zu treiben. Hans war von Erstaunen auser sich, als er mich sah, und vernahm, was geschehen war. Er fieng gewaltig an mit Jörgen in meiner Gegenwart zu zanken, und der Hader nahm so überhand, daß dieser mit seinen Leuten abzog, voll Grimmes, daß Hans sein Bubenstük mißbilligte. Ich ward günstig behandelt, erhielt zu essen und zu trinken, und einen wehrhaften Geleitsmann bis hieher.“ „Du Pfaff, sprach Hans, als ich mich bei ihm für seine freundliche Bewirthung bedankte, sollst zwar nicht ungestraft dafür bleiben, daß du meine unzüchtige Tochter einem Verführer angetrauet hast; aber ich verabscheue Trug und Hinterlist, und finde dich wohl am hellen Tage in deinem Hause, wenn ich erst die Burg deines Ritters werde verödet haben. [82] Sag’ ihm nur, daß ich ungemeldet nicht erscheinen werde, und daß ich auch gegen den schändlichsten Beleidiger gerade und bider handle. Nur der Räuber oder der Feige greift die Schlafenden an!“ –

„Hab ich’s nicht gesagt – sprach darauf der Schenk – so handelt Hans von Wöllstein nicht. Nein! er fügt sich der Ordnung und dem Recht. Er erscheint auch hier, als der bidre Rittersmann, als den ich ihn seit Jahren schon gekannt habe.“ Das nämliche sagten auch die andern edlen Männer, und lobten meinen Vater, während sie Jörgen Rache schwuren. Es war mir sehr erfreulich, meines Vaters Ehre gerettet zu sehen. Das Geblüt, Mechthilde! verläugnet sich nicht. Er brachte mich in diese Noth, und doch schämt ich mich seiner Schande.

Bald nach dem Pfaffen kamen die Boten von Wöllstein, von Luschnaw und von Schechingen, und sagten Kunzen die Fehde an, „über drei Tagen, werden ihre Herren heranziehen, um Hansens Ehre [83] zu retten, die durch den Raub seiner Tochter verletzt worden sey.“ – An Seyfried von Schechingen hatte niemand gedacht. Mein Vater hatte ihn zur Hülfe aufgerufen, weil er Kunzens mächtige Verbindungen, und besonders die Stärke des Schenken kennt.

Noch drei Tage also – und mein Schiksal wird entschieden seyn. Ich habe gute Hofnung, Mechthilde! und des Schenken Huld macht meine Sorgen immer mehr verschwinden. Doch so lang mir mein Vater nicht gut wird, so lang hab’ ich keine Ruh. Genieß’ ich eines frohen Augenbliks, und er fällt mir ein, so wandelt sich plötzlich meine Freude in düstern Trübsinn. Fiel’ er aber gar im Streite, o! dann wär’ mein künftig Leben eine stete Folter. Diese Furcht hab’ ich Kunzen geklagt. Er gab mir sein Wort, mit Rittern und Knechten übereinzukommen, daß keiner Hansen im Streite verletzen soll. Ich traue seinen Versprechen. Denn nie brach Kunz ein Wort, das er gegeben hatte.

[84]
9.

O – Mechthilde! wo nehm ich Worte her, dir meine Wonne zu schildern? – Alles, alles ist gelungen – Kunz und seine Bundesmänner haben gesiegt, – mein Vater hat uns gesegnet – die Kirche ist versöhnt – und im ganzen deutschen Lande ist kein Weib glüklicher als – Bertha. Ich habe zwar große Noth erlitten; aber nun wird die ganze Zukunft meines Lebens voll Lust, Seligkeit und Friede seyn. Das war ein kleiner Kampf, um einen so schönen Sieg. Der Sturm ist nun vorüber, und der heiterste Himmel lacht auf mich herab. – Erwarte einen langen Brief, Mechthilde! Ich hab’ dir sehr viel zu erzählen; und zudem, wenn ich freudig bin, kann ich, wie du wohl weißt, nicht aufhören, meine Freude zu ergiessen.

Kummervoll sah’ ich dem Tag der Fehde entgegen. Vor Aufgang der Sonne schon war alles schlagfertig und gerüstet in der Burg. Muthwillig nekten sich die Knechte beim vollen Becher in dem Hofe, und die [85] Ritter zechten auf der Trinkstube. Ich lag in meiner Schlafkammer auf den Knien, und rang die Hände, und flehte für meinen Vater, für Kunzen, und für mich. Als man zum Aufbruch rief, kam er, der liebe, fromme Mann, nochmal in meine Kammer, und drükte mich feurig an seinen Busen. „Sey ruhig, sprach er, trautes Weib! sey ruhig! Ich bringe dir den Frieden und deines Vaters Gunst.“ – Ich hieng mich fest an seinen Hals, und ließ ihn nicht, bis der Schwabenburg ihn in der Kammer suchte, und uns von einander losriß.

Ueber eine Weile gieng ich hinauf in den Thurm, um zu sehen, ob der Streit schon begonnen hatte. In dem nämlichen Augenblik kam der Gewalthaufen von Wöllstein um die Bergeke ober Laufen herum. Es war eine unermeßliche Menge; denn der Haak, mein Vater, hatte alles aufgeboten, was einen Steken oder Schwerdt tragen konnte. Unser Heer stand in feierlicher Stille am Fuße des Berges, und erwartete den Feind. Dieser Anblik brachte mein Herz in [86] eine zuvor nie gefühlte Bangigkeit; es war mir, wie wenn der größte Berg auf mir läge. Der Haufen von Wöllstein rükte immer näher. Ich spähte lang nach meinem Vater, und gerade, da er über den Kocher ritt, sah’ ich ihn in der Mitte des Haufens auf seinem alten, treuen Rappen gebükt einherschwanken. Ich rang die Hände, und stampfte mit den Füssen, und schrie laut in die Luft – ich weiß selbst nicht mehr was! – Indem ich so jammerte, hört’ ich plötzlich ein Geräusch, – sah’ die Schwerdter in der Luft glänzen, – sah’ schnell wie der Blitz unser ganzes Heer auf den Haufen von Wöllstein losstürzen. Ich vermocht’ es nicht, diesen Anblik zu ertragen. Ich sprang zurük in die Treppe, und schrie – und weinte – und heulte im Hause umher, wie wenn der ganze Himmel über mir einzustürzen drohte.

Bald kam einer von Krafts Reutern eiligst die Brüke herein gejagt, und rief laut: „Sieg! Sieg! – die Feinde sind geschlagen, und den Haaken von Wöllstein bringen wir gefangen! – Ich vermag die Empfindungen, [87] die diese Verkündigung in mir wekte, nicht zu beschreiben. Ich fühlte Freude durch das Bewußtseyn meiner Rettung – Schaam über meines Vaters Unfall – Schmerz über dem Gedanken an seinen Anblik – drükende Bangigkeit, als mir der Siegesbote noch sagte, daß wohl zwölf Knechte im Streite erschlagen worden seyen. Ich befand mich in einem Zustand, in dem mein Herz von Gefühlen bestürmt wurde, die so vielfach, und so verschiedenartig, und zugleich so heftig waren, daß die Sprache keine Worte hat, ihn zu bezeichnen.

Ich sprang wieder hinauf auf den Thurm. Aber schon war das Schlachtfeld geleert, und unser Haufe im Rükzug. Hie und da sah’ ich einen Flüchtigen aus dem Walde hervorkriechen, und furchtsam auf den Kampfplatz herabspähen. Einige Knechte trugen die Erschlagnen auf der Wiese zusammen, und dieser Anblik, Mechthilde! stieß mich aus dem Fenster zurüke.

Bald hörte ich, wie sich der Zug dem Thore näherte. Ich sprang auf meine Stube, [88] und hier – Gott welch’ ein Anblik – sah’ ich meinen Vater, zwischen Kraften und dem Schenken mitten inne hereinreiten. Er sah’ traurig vor sich auf die Erde, und schien den Schenken, der mit ihm redete, nicht zu achten. Ein Knapp, der hinter ihm ritt, trug seine Lanze und sein Wehrgehäng, die er heute das erstemal dem Sieger in die Hände geben mußte. Ich litt viel, Mechthilde! ob diesem Anblik. Mein Herz war bis zum Bersten gepreßt, von Mitleiden und von Gram ob meines Vaters Unfall. Denn ich wußte, wie tief ihn das Bewußtseyn beugen mußte, in Feindes Gewalt zu stehen; ihn, der nie anders als Sieger aus dem Streite gieng. Dies schmerzhafte Mitleiden und dieser Gram hatten alles Gefühl von Freude über meine Rettung in mir erstikt.

Sobald die Ritter abgestiegen waren, kam Kunz mit Kraften eiligst zu mir auf die Stube gesprungen. Er umpfing mich mit dem Feuer, das hohe Freude anzündet, und rief im Jubel laut aus: „wir haben gesiegt, [89] liebes Weib! – nun stöhrt nichts mehr unsrer reinen Liebe Wonne!“ – „Aber warum, sprach ich schluchzend, mußtet ihr meinen Vater gefangen führen? die Schande der Gefangenschaft wird ihn tödten“ „Nein, Nein! Bertha! erwiederte er, – sie wird nur seinen Starrsinn beugen, und wir werden ihn durch Großmuth und Freundlichkeit zur Versöhnung nöthigen. Der Schenk hat’s ihm auch bereits gesagt:“ „Fürchtet euch nicht, Ritter Hans! sagte er ihm, ihr seyd in der Hand eurer Kinder, die euch um euren Segen bitten, und unter dem Schutze edler Männer, die euren ritterlichen Sinn zu schäzen wissen!“ – und darob schien er auch sehr gerührt.

Kraft erzählte mir darauf, denn Kunz entfernte sich gleich wieder, nachdem er mir die Siegesbotschaft gebracht hatte, – die Geschichte des Streits.

Hans – sprach er – hat sich seine Sache durch die Menge unnützen Volkes, das er zur Fehde aufbot, selbst verdorben. Hätt er [90] blos die guten Knappen mitgeführt, die ihm und seinen Genossen dienen, er hätt’ sich dann wohl mit aller Ehr’ zurükziehen können. Kraft liegt nicht allemal in der Menge. Das Pöbelvolk, das er in der Mitte seines Haufens gestellt hatte, schien ob unserm Anblik schon zu erzittern, und sobald wir auf sie losstürzten, warfen sie die Waffen weg, und zerstreuten sich. Hans, als ein erfahrner Kriegsmann, wußte wohl, daß damit der Sieg für uns entschieden ward, und war über die feigen Flüchtlinge so zornig, daß er selbst grimmigen Blikes, mit dem Schwerdte über sie herfiel. Die Knappen aber hielten lange Stand, und schienen entschlossen, uns den Sieg nur um Blut zu überlassen. Der Haak von Luschnaw stritt mit einer Kaltblütigkeit, die uns alle in Erstaunen setzte. Er stürzte sich mitten in unsern Haufen und schlug alles nieder, was er mit dem Schwerdt erreichen konnte. Der Schwabenburg faßte ihn zweimal tüchtig mit der Lanze, aber seine Behendigkeit machte das Eisen jedesmal auf seinem Harnisch ausglitschen. Einer von unsern Knechten schlug ihm mit der [91] Streitaxt das Helm vom Kopfe; aber in dem nämlichen Augenblik rannte er ihn mit dem Schwerdte zu Boden, und schug sich durch seine bestürzten Kameraden hinaus. – Der junge Schenk stritt wie der versuchteste Krieger, und schien sich hier der erst erlangten Ritterehre würdig machen zu wollen. Er nahm es, mit einigen wenigen Knechten, mit Seyfrieden von Schechingen auf, und ängstete ihn dergestalt, daß er Schwerdt und Lanze verlohr, in der Bestürzung umwand, und vom Kampfplatz floh. Dem Beispiel dieses Feigen folgten seine Knechte, und viele von den Leuten der beiden Haaken. Ich und der Senft benutzten diese Bestürzung der Feinde, und setzten den Flüchtigen nach. Die Haaken sahen, daß alles verlohren war und suchten sich über den Kocher zu retten. Dem von Luschnaw gelang es, ob gleich sein Pferd schwer verwundet war; aber Hansens Pferd stürzte über das Gestade, und blieb unbehülflich im Sumpfe steken. Die Knechte des Schenken sassen eiligst ab, und sprangen in den Fluß. Hans, der mit der Hälfte des Leibes unter dem Pferde lag, konnte [92] die Waffen nicht mehr gebrauchen, und sah’ sich in Feindes Gewalt. – „Laßt mich sterben in diesem Sumpfe, sprach er, ich mag diesen einzigen schimpflichen meiner Tage nicht überleben!“ – Der Schenk, der zugegen war, rief ihm aber gleich mit großer Freundlichkeit zu: ihr seyd unter euren Freunden, braver Hans! wer ritterlich gefochten hat, für den ist Gefangenschaft keine Schande!“ –

Mein Herz ward durch die Worte meines Vaters, die ich hier vernahm, noch mehr beschwehrt. Denn ich fühlte es ganz, mit welcher Noth er umgeben war, und welchen Kummer er litte, als er sie aussprach.

Gleich gieng auch Kraft wieder fort auf die Trinkstube, wo die Ritter beisammen sassen, und mit meinem Vater über unsre Sache handelten. Ich schliech mich in eine Nebenkammer, um ihrer Rede zu horchen, und den Willen des Haaken, dem ich so sehnsuchtsvoll entgegen sah, zu vernehmen.

[93] Eben sprach mein Vater, als ich in die Kammer kam, und vertheidigte sich, wegen des schändlichen Bubenstüks, das Hirnheim an dem Pfaffen von Laufen, und an den armen Leuten auf der Mühle verübt hatte. „Ich weiß wohl, erwiederte der Schenk, daß ihr deß ganz unschuldig seyd; ich kenn’ euch seit Jahren, und konnt’s nie vereinbar finden, mit eurem bidern, frommen Sinn. Indeß wollen wir die That des Räubers vergessen, und von der Hauptsache handeln. Gebt, Hans! gebt Kunzen euer Ja, und hört auf zu zürnen über ihn und über eure Tochter!“

„Nie werde ich ihm mein Jawort geben, versetzte mein Vater; am wenigsten aber hier in der Gefangenschaft. Denn dadurch erhielt ich das Ansehen, als ob ein Zwang mich nöthigen könnte, mein Wort zu brechen. Nein! da ist keine Macht in der Welt, die etwas über mich vermöchte!“ – Dieß sprach mein Vater mit einem rauhen, trotzigen Tone, ob dem mir Mark und Bein zu zittern begannen.

[94] Er hatte kaum ausgeredet, als sich Kunz mit den Worten erhub: „und auch ich verlange die Einwilligung des Haaken nicht, so lang er mein Gefangener ist. In der Gefangenschaft kann niemand frei handeln, und ein freies Nein ist mir lieber als ein erzwungenes Ja! Ich bitte deßhalb meinen gnädigen Herrn den Schenk, daß er den Haaken seiner Gefangenschaft losspreche, und nur dann erst kann ich ihn bitten, mir und meinem Weibe seinen väterlichen Segen zu ertheilen.

„Du denkst wie ein braver Rittersmann – sprach der Schenk, und gab dem Haaken Wehrgehäng und Schwerdt und Lanze wieder, und ließ es sogleich in der Burg verkünden, daß er und die mit ihm eingebrachten Knappen ihres Verhaftes ledig seyen.

Mein Vater konnte sein Erstaunen über Kunzens edlen Sinn nicht bergen. „Hätt’ ich mir nicht, sprach er, durch mein Gelübde eine Pflicht aufgelegt, deren ich nie ledig werden kann, ich würde die Entführung des [95] Fräuleins vergessen, und sie willig einem Manne überlassen, der so zu handeln fähig ist. Gewalt haben, ohne sie zu mißbrauchen, ist das Meisterstük der Großmuth!

Hier nahm der Schenk das Wort, und bewieß meinem Vater mit großer Beredsamkeit, daß er durch seine Einwilligung sein Gewissen nicht beschwere. Auch die andern edlen Männer sprachen ihm mächtig zu, und besonders der Walther von Unmuß, der gar gelehrt ist, und zu Bologna das Recht und die freien Künste studiert hat. – Er begann zu wanken und fragte sie endlich: „wie wolltet ihr aber die Kirche versöhnen?“

Hier trat Kunz in ihre Mitte und erklärte sich: „Alles Gut, sprach er, was Bertha eigen hat, trett’ ich willig dem Kloster ab. Ich verlange nur sie, und bedarf auch sonst nichts weiter. Und zum Trost und Heil der armen Seelen, die im Streite gefallen sind, erbau’ ich auf dem Heerberge, auf dem Platz, wo die Kapelle steht, von meinem eignen Gut, eine Kirche mit Thurm und Geläut, [96] und stifte dazu eine ewige Messe für die Erschlagenen.“ –

„Ich kann, sprach mein Vater, eurem guten Rathe nicht widerstehen; laßt meine Tochter kommen, daß ich ihr Glük wünsche, zu einem so frommen, tapfern Manne!“ –

Pfeilschnell stürzte ich in die Stube, weinend vor Freude, umfaßte seine Knie, und stammelte: „Vergebung – Vater! – Vergebung – eurer ungehorsamen Tochter! – Er drükte mir, mit holdselig lächlendem Blike die Hand. „Gottes Segen – sprach er – Gottes Segen über dich und ihn! –

Die Ritter verkündigten ihre Freude über unsere Versöhnung, indem sie laut aufjauchzten, und den glüklichen Tag beim Weinglase und beim Reigen feierten, und lustig waren bis der Morgen graute. Wir vergassen alle über dem gegenwärtigen Genusse die vorige Noth. Himmelsfreude – Mechhilde! Himmelsfreude kann kaum größer seyn, als die Freude dieses Tages! –


  1. Gewürzhändler und Wechsler aus der Lombardei, die im Mittelalter in ganz Europa großen Handel und Wucher trieben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Serbenden