Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter | |
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Vaters Zorn aufs Neue entflammt, und gräßlicher als zuvor wird er nun über mich ausbrechen. – Wäre ich eine Mordbrennerin, oder eine Zauberin, oder eine Kindesmörderin gewesen, es hätt’ mir nicht bänger seyn können. Unstät lief ich in der Kammer umher; bald trat ich ins Fenster; bald horcht’ ich an der Treppe; mein Herz schlug mir laut, daß es schalte; meine Haut war rauh vom Schauer, und alle meine Glieder zitterten. Ueber eine Stunde war ich wohl in dieser Todesangst gewesen, als ich Kraften wieder am Wasser hinunter reiten sah. Er jagte schnell, wie ein flüchtiger Räuber, und das Roß warf mit jedem Sprung Rasenstüke aus der Wiese in die Höh’. Bei all’ meiner Angst that mirs doch wohl Kunzens guten Freund zu sehen, und zu merken, wie treulich er sein Wort erfüllte. Da war meine Liebe wieder sehr brünstig. „Ach – dacht’ ich, du guter Kraft! säß’ ich hinter dir auf deinem fahlen Pferde! flög ich mit dir auf seine Burg!
Indem ich ihm unter lauten Seufzern noch gierig nachblikte, trat Oswald in die
Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Karl Gottlob Beck, Nördlingen 1794, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Woellstein.djvu/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)