Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter | |
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mich vor Kunzen auf die Knie zu werfen, und ihn um Schutz und Schirm zu bitten; und dieser Gedanke gefiel mir so wohl, daß ich mich ganz in die Ausführung desselben hinein versetzte. Aber da durchblitzte die beängstigende Vorstellung meinen Geist, von der Heiligkeit des Gelübdes meiner Mutter, von meines Vaters Zorn, von meiner armen Seele Untergang, und von den Geisseln, womit die Geister der Hölle den züchtigen, der an der heiligen Kirche zum Schelm geworden ist. Darob entstand eine so große Finsterniß in meiner Seele, daß ich meiner unbewußt aus dem Bette kam, und mich, als ich mich wieder besonnen hatte, auf dem kalten Pflaster liegend, antraf. So rang ich die ganze Nacht mit Angst, Kummer und Verzweiflung, und weinte der Thränen so viele, daß mir die Augen hoch aufschwollen, und mein ganzes Lager durchfeuchtet war.
Ich suche mich nun beim Aufgange der Sonne meines Schmerzens zu entladen, indem ich dir, theure Mechthilde! schreibe. Bete für mich, daß mein Kummer mich nicht gar
Johann Gottfried Pahl: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Karl Gottlob Beck, Nördlingen 1794, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Woellstein.djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)