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Seite:Blinden- und Taubstummenanstalt Gmünd.djvu/2

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Johann Georg Knie: Blinden- und Taubstummenanstalt Gmünd. In: Pädagogische Reise durch Deutschland im Sommer 1835, S. 162–172

wo ich den Postwagen verlassen und mir für den Seitenweg nach Gmünd einen Einspänner dingen mußte, den mir auch der Kellner der Passagierstube bald und freundlich besorgte. Nach zweistündigem Harren von 4–6 Uhr und eingenommenem Kaffee mit Rum konnte ich neu gestärkt die vier Stunden weite Fahrt durch die einsamen Waldreviere des Hohenstaufen antreten. Mein Kutscher, ein ächter Schwabe von Sprache und Einfalt des Herzens und des Oberstübchens, konnte durchaus nicht begreifen, warum er mir sagen sollte, wenn überhängende Aeste kommen würden; daher sah ich mich bald genöthigt, um nicht ohne Kopf nach Gmünd zu kommen, meinen Stock als beste Sonde für den ganzen Weg vor mir in der Hand senkrecht zu halten, was mir in der That das Ansehen geben mochte, als wollte ich den Leibgärber oder Blaufärber gegen das Rückenfell meines interessanten Kutschers spielen – eine Meinung, die er selbst zu fassen schien, da er sich einigemale sehr bedenklich umsah (eine Bewegung, die dem scharfhörenden Blinden nicht entgeht) und dann allemal seinen ohnedieß gut trabenden Gaul wiederholt kräftig mit der Peitsche begrüßte, damit ich ja keine Ursache zur Ungnade haben sollte.

Gegen 9 Uhr hielt ich vor dem Hause der Taubstummen und Blinden zu Gmünd, welches auch der würdige Stadtpfarrer Jäger, der Vorsteher beider Anstalten, bewohnt, unter dessen wirthlichem Dache ich nach wenigen Minuten freundschaftliche Aufnahme fand. Schon durch den Geist seiner Schriften und durch Briefwechsel mit ihm bekannt, näherten wir uns jetzt persönlich um so leichter, obwohl der Charakter dieses achtbaren Mannes mehr ein ernster und schweigsamer genannt werden möchte. Noch denselben Vormittag wohnte ich dem Unterrichte der Blinden bei, der abgesondert von dem für die Taubstummen gegeben wird. Den nun folgenden Sonntag Vormittag erbaute mich in der Stadtpfarrkirche eine von Jäger gehaltene Predigt, nach Tische eben da die Kinderlehre und ein Besuch des Asyls für erwachsene Blinde. Noch näher lernte ich den Blinden-, wie auch den Taubstummenunterricht

Empfohlene Zitierweise:
Johann Georg Knie: Blinden- und Taubstummenanstalt Gmünd. In: Pädagogische Reise durch Deutschland im Sommer 1835, S. 162–172. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1837, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Blinden-_und_Taubstummenanstalt_Gm%C3%BCnd.djvu/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)