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spricht sehr gut über die Musik: allein Sprechen und Komponiren ist zweyerley. Als er sein Buch, vor länger als zwanzig Jahren, schrieb, waren seine Meynungen frey und uneingeschränkt, das sind sie itzt nicht mehr. Und Grauns Komposition war vor dreissig Jahren elegant und simpel, denn er war einer der Ersten unter den Deutschen, welche die Fugen und andre dergleichen schwerfällige Arbeiten bey Seite setzten und zugaben, daß wirklich ein Ding vorhanden sey, das Melodie hiesse, welches die Harmonie unterstützen und nicht unterdrücken sollte; allein, obgleich die Welt immer in ihren Kraysen fortgeht, so haben sich doch schon seit langer Zeit verschiedne berliner Musiker bemüht, solche in ihrem Laufe zu hemmen, und zum Stillstehen zu bringen.[H 1]

Im Ganzen genommen, wurden meine Erwartungen von Berlin nicht völlig erfüllet, denn ich fand nicht, daß der Geschmack in der Komposition oder in der Spielart, welchem Se. Majestät der König von Preussen den Vorzug beylegt, meinem Begriffe von der Vollkommenheit entspräche. Ich spreche sowohl hier als anderwärts nach meinen Empfindungen. Indessen würde es Verwegenheit von mir seyn, wenn ich mein einseitiges Urtheil, dem Urtheile eines so erleuchteten Monarchen entgegen setzen wollte, hätte ich nicht glücklicherweise die Meynung des grössesten Theils von Europa auf meiner Seite. Denn, müßte es auch

Anmerkungen (H)

  1. [310] Wer wäre denn das eigentlich gewesen? Daß man in Berlin nicht jede Neuerung so gerade weg annimmt! That es doch Hasse und Metastasio und Bach u. a., die der V. lobt, auch nicht. Aber nicht sowohl berliner Komponisten, als berliner musikalische Schriftsteller sind Schuld an dem üblen Rufe der berliner Schule. In Wien, Manheim gieht es auch Komponisten so, so! Nur lassen sie auch bey andern Fünfe grade seyn; und so ziehen sie sich denn auch keine Feindschaft auf den Hals. Die berliner Kritiker verkannten das Genie anderer Komponisten, sobald sie gegen die Regeln der musikalischen Gramatik anstiessen; und ob sie gleich mit Fug gegen manchen wahren Unsinn in grosser Italiäner Werken eiferten, so hatte es doch oft das Ansehn, als ob sie alles Gute zu eilig übersähen, und dem Genie nicht erlaubten, [311] etwas zu wagen – wenn es nicht aus ihrer Schule war. Das macht freylich eben so wenig Freunde, als es bessert. – Den alten Quantz zu tadeln, daß er itzt nicht so frey denke! ’T is not fair, Sir!