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bloß das Geräusch, und das Gewicht der Tasten. Die Voxhumano ist schlecht; und nur wenige Solostimmen sind von angenehmen Ton. Man weiß in Dresden gar nicht, was ein Schweller für ein Ding ist. Nur die Echos von den gemeinen Stimmen kann man an sich selbst lieblich heissen. Das grosse Verdienst aller deutschen Orgeln, die ich bis dahin gehört hatte, bestehet bloß in der Vollhaltigkeit und der Stärke des ganz angezogenen Werkes; Freylich haben sie auch weiter eben nichts nöthig, denn wo viel gesungen wird, brauchts keiner so vielen Vor- und Zwischenspiele, wie in den englischen Pfarrkirchen; so wenig es nachahmender Stimmen bedarf, um Rittornells zu spielen, wenn an den wirklichen Instrumenten kein Mangel ist.[H 1]

Signor Bezozzi und Herr Hunger, nebst verschiedenen andern Meistern waren in der Schloßkirche, um Herrn Binder spielen zu hören; welcher als er fertig war, sich dergestallt warm gearbeitet hatte, als wäre er mitten in den Hundstagen, sporenstreichs, etliche Meilen über gepflügtes Land gelaufen.

Des Abends ging ich zu Herrn Binder nach seinem Hause, um die Ruinen des berühmten Pantalons zu sehen. Dieses Instrument gab, als 1705 in Paris darauf gespielt wurde, Gelegenheit

zu einem kleinen sehr sinnreichen Werke, unter

Anmerkungen (H)

  1. [300] Der Verfasser denkt bey seinem unablässigen Tadel über die Grösse der deutschen Orgeln und ihre Füllstimmen, gar nicht daran, daß beydes nothwendig ist, eine grosse Gemeine, die mehr als ein paar Zeilen hinter einander singen soll, im Tone zu erhalten. Sollte er nie gehört haben, wie sie herunterzieht, wenn die Orgel schwächer ist, als die Gemeine? Mit der Nothwendigkeit der Fülle der Orgel lernt man auch die Nothwendigkeit der Pedale begreifen, und wer Orgeln gut hat spielen gehört, begreift auch leicht die grosse Wirkung des Pedals. In England soll man nichts davon wissen, weil die Orgeln da niedlich und elegant seyn sollen. Aber kann England uns Muster seyn? Wenn mancher Organist beym Solospielen [301] das Registrieren nicht versteht, so ist das nicht der deutschen Orgeln Schuld. Wer Herrn Burneys Anmerkung über der deutschen Meynung vom Pedale Seite 217 im dritten Bande liest, den muß die Lust ankommen, Herrn Burney das zu antworten, was Scarlatti zum Herrn l’Augier über seine zehn Finger sagte. In Italien hängen die Pedale freilich an den Manualen, und gehn, (wie vermuthlich auch in England) mit dem kleinen Finger der Linkenhand einen Gang. Und dann machts nur eine nothdürftige Verstärkung, und ist wie der Violon in einem Conterte, der doch gewiß nicht einmal entbehrlich ist. – Nach Bachs Grundsätzen ist das Pedal nothwendig, wenn die Orgel in ihrer wahren Manier gespielt, und nicht zum Clavier herabgesetzt werden soll. Wenn ein wirklicher Meister die Orgel spielt, so hebt das Pedal die grössesten Gedanken ungemein, und giebt der Musik eine so hohe Majestät, die kein ander Instrument je hervorbringen kann. Hätte Herr Burney doch einmal den hällischen Bach spielen gehört, zu einer Zeit, da ihn nicht der Geist der algebraischen Künste trieb!