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Dies geschieht namentlich, wenn der Planet der Erde nahe steht, wenn wir uns nämlich zwischen der Sonne und dem Planeten befinden, dieser also zur Zeit des Sonnenunterganges aufgeht. Zur Zeit hingegen, wo der Planet Abends untergeht, oder zur Morgenzeit aufgeht, eilt die Visirlinie voraus. Geschieht endlich die Bewegung in der Richtung und bei gleichmäßiger Verschiebung der Sehlinie, so scheint der Planet stille zu stehen, indem die verschiedenen entgegengesetzten Bewegungen sich gegenseitig aufheben. Es findet dies meist beim Gedrittschein der Sonne statt. Bei all diesen Erscheinungen ist die Ungleichheit um so größer, je näher das Gestirn der Erdbahn; somit ist sie kleiner beim Saturn, als beim Jupiter; am größten zeigt sie sich beim Mars, je nach dem Verhältnis des Halbmessers der Erdbahn zu der Planetenbahn. Sie erreicht bei jedem einzelnen ihren größten Wert, wenn die Sehlinie eine Tangente zur Erdbahn bildet. So dürfte der Wandel dieser drei Sterne erklärt sein. Doch machen sie auch noch eine zweifache Bewegung in Breite;[1] denn die Kreise der Epicykel liegen zwar in der Ebene der Hauptbahn, jedoch nicht in der der Ekliptik. Ihre Achsen machen vielmehr mit der der Ekliptik einen Winkel; dabei bewegen sie sich jedoch nicht, wie wir dies beim Monde sahen, um letztere herum, sondern behalten stets dieselbe Richtung am Himmel bei. Somit behalten auch die Durchschnittslinien dieser Ebenen, die sogenannten Knotenlinien, ein für alle mal dieselbe Lage. Für Saturn liegt der aufsteigende Knoten 81/2 Grad[2] nach dem östlichen Sterne am Haupte der Zwillinge; für Jupiter 4 Grad vor dem genannten Stern; der Knoten der Marsbahn liegt 61/2 Grade vor den Plejaden.[3]

An diesen Oertern, so wie an den diametral gegenüberliegenden ist also die Breite des Planeten gleich Null. Sie erreicht ihren sehr veränderlichen großen Wert bei einem Längenunterschied von 90° von jenen Punkten. Die Neigung der verschiedenen Achsen und Kreise haben nämlich in jenen Knoten gewissermaßen ihre


  1. Vgl. Revol. l. VI. c. 1 sq.
  2. Partes (Teile) bedeutet vier Grade.
  3. Vergilias.“ – Die in dieser Gruppe befindlichen Sterne wurden von den Römern Stellae Vergiliae genannt, weil ihr Aufgang vom Morgenhimmel den Frühling ankündete: „quod vere exoriuntur.“ Cic. in Arat. 2.
Empfohlene Zitierweise:
Nicolaus Copernicus, Adolf Müller (Übersetzer): Nicolai Coppernici de hypothesibus motuum coelestium a se constitutis commentariolus. J. A. Wichert, Braunsberg 1899, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Commentariolus_1899_German_Translation_Adolf_M%C3%BCller.djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)