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„ungeheure Grösse“ der Schwungfedern zweiter Ordnung des männlichen Argusfasan beraubt, wie man sagt, „den Vogel fast vollständig des Vermögens zu fliegen“. Die schönen Schmuckfedern männlicher Paradiesvögel stören sie während eines starken Windes. Die ausserordentlich langen Schwanzfedern der männlichen Wittwenvögel (Vidua) von Südafrica machen „ihren Flug schwer“, sobald dieselben aber abgeworfen sind, fliegen sie so gut wie die Weibchen. Da Vögel stets brüten, wenn die Nahrung reichlich vorhanden ist, so erleiden die Männchen wahrscheinlich nicht viel Unbequemlichkeiten beim Suchen von Nahrung in Folge ihres gehinderten Bewegungsvermögens. Es lässt sich aber kaum zweifeln, dass sie viel mehr der Gefahr ausgesetzt sind, von Raubvögeln ergriffen zu werden. Auch können wir daran nicht zweifeln, dass das lange Behänge des Pfauhahns und der lange Schwanz und die langen Schwungfedern des Argusfasans sie viel leichter zu einer Beute für irgend eine raubgierige Tigerkatze machen müssen, als es sonst der Fall wäre. Selbst die hellen Farben vieler männlichen Vögel müssen sie selbstverständlich für ihre Feinde aller Arten auffallender machen. Wahrscheinlich sind daher, wie Mr. Gould bemerkt hat, solche Vögel allgemein von einer scheuen Disposition, als ob sie sich dessen bewusst wären, dass ihre Schönheit eine Quelle der Gefahr für sie ist; auch sind sie viel schwerer zu entdecken und zu beschleichen als ihre dunkel gefärbten und vergleichsweise zahmen Weibchen oder als ihre jungen und noch nicht geschmückten Männchen.[1]

Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dass die Männchen einiger Vögel, welche mit speciellen Waffen für den Kampf ausgerüstet und im Naturzustande so kampfsüchtig sind, dass sie oft einander tödten, darunter leiden, dass sie gewisse Zierathen besitzen. Kampfhahnzüchter stutzen die Sichelfedern und schneiden die Kämme und Fleischlappen ihrer Hähne ab, und dann, sagt man, sind die Vögel „abgestumpft“. Ein nichtgestumpfter (undubbed) Vogel ist, wie Mr. Tegetmeier betont, „in einem ungeheuren Nachtheile. Der Kamm und


  1. Ueber den Cosmetornis s. Livingstone. Expedition to the Zambesi, 1865, p. 66. Ueber den Argus-Fasan s. Jardine, Naturalist's Library: Birds. Vol. XIV, p. 167. Ueber Paradiesvögel: Lesson, citirt von Brehm, Thierleben, Bd. 3, S. 325. Ueber den Wittwenvogel s. Barrow, Travels in Africa. Vol. I, p. 243, und Ibis, Vol. III. 1861, p. 133. Mr. Gould, über das Scheusein männlicher Vögel in: Handbook to the Birds of Australia. Vol. I. 1865, p. 210, 457.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/103&oldid=- (Version vom 31.7.2018)