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Fromme Ergebung. — Da Ergebung in einem gewissen Grade mit Zuneigung verwandt, obschon sie, hauptsächlich aus Ehrfurcht bestehend, häufig mit Furcht verbunden ist, so mag der Ausdruck dieses Seelenzustandes hier kurz erwähnt werden. Bei einigen sowohl früher als jetzt noch existirenden Secten sind Religion und Liebe in befremdender Weise combinirt worden, und es ist selbst behauptet worden, so traurig die Thatsache an sich sein mag, daß der heilige Kuß der Liebe nur wenig von dem verschieden sei, welchen der Mann der Frau oder eine Frau dem Manne gibt.[1] Ergebung oder Andacht wird hauptsächlich dadurch ausgedrückt, daß das Gesicht nach dem Himmel gekehrt ist mit nach oben gerollten Augäpfeln. Sir Ch. Bell bemerkt, daß bei dem Herannahen des Schlafes oder eines Ohnmachtsanfalles oder des Todes die Pupille nach oben und innen gezogen wird; er glaubt nun, daß „wenn wir uns in Andachtsempfindungen ergehen und äußere Eindrücke nicht beachtet werden, die Augen dann durch eine weder gelehrte noch erworbene Thätigkeit nach oben gewandt werden“ und daß dies Folge einer und derselben Ursache ist, wie in den eben erwähnten Fällen.[2] Daß die Augen während des Schlafes nach oben gerollt werden, ist, wie ich von Prof. Donders höre, richtig. Bei neugebornen Kindern gibt diese Bewegung der Augäpfel, während sie an der Brust ihrer Mutter saugen, ihnen häufig einen absurden Ausdruck ecstatischen Entzückens, und hier läßt sich deutlich wahrnehmen, daß gegen die naturgemäße, während des Schlafes angenommene Stellung angekämpft wird. Aber Sir Ch. Bell's Erklärung der Thatsache, welche auf der Annahme beruht, daß gewisse Muskeln mehr unter der Controle des Willens stehen als andere, ist, wie ich von Prof. Donders höre, incorrect. Da die Augen häufig im Gebete nach oben gewendet werden, ohne daß der Geist so sehr in Gedanken absorbirt wäre, daß er der Bewußtlosigkeit des Schlafes sich annähert, so ist die Bewegung wahrscheinlich eine conventionelle — das Resultat des gewöhnlichen Glaubens, daß der Himmel, die Quelle der göttlichen Gewalt, zu der wir beten, über uns gelegen ist.

Eine demüthigende knieende Stellung mit erhobenen und in einander gelegten Händen scheint uns in Folge langer Gewohnheit eine


  1. Dr. Maudsley hat eine Erörterung hierüber in seinem Buche: Body and Mind, 1870. p. 85.
  2. The Anatomy of Expression, p. 103, and Philosoph. Transactions, 1823, p. 182.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/212&oldid=- (Version vom 31.7.2018)