Seite:Das Buch Sulamith und Maria.pdf/6

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Franz Pforr: Das Buch Sulamith und Maria. In: Der Wagen 1927, S. 51–58

du, meine innig geliebte Maria? Da wagte sie es noch weniger, die Augen aufzuschlagen, und das Blut stieg ihr in das holde Angesicht, und sie antwortete und sprach: ja, jedoch also, daß man es kaum zu hören vermochte. Da ward der Geselle vor Freude entzückt und bat sie hoch und teuer, es noch einmal auszusprechen und ihm den Verlobungskuß zu gestatten. Da sprach sie es zum zweitenmal und errötete nochmals, als er sie küßte. Und er faßte ihre Hand, und sie gingen zusammen zu ihren Eltern und fanden Johannes und Sulamith und hörten ihre Verbindung. Der Vater aber freute sich sehr und sprach: Gott segne euch und lasse euch wachsen an dem Quell seiner Barmherzigkeit. Wer euch segnet, müsse gesegnet heißen ewiglich; wer euch fluchet, müsse verfluchet heißen zeitlich. Du, meine Sulamith, bist eine reine und edele Rose; du müssest deinen Mann beglücken durch die Frucht deines Leibes. An nichts müsse es dir gebrechen; Wein und Korn wirst du die Fülle haben; die Äpfelbäume werden blühen und die Feigenbäume Knoten gewinnen zu ihrer Zeit; dein Mann wird dich lieben immer wie heut; du wirst gesegnet heißen zeitlich und ewiglich. Denn du bist eine gute Tochter, die mein Alter erfreut, und ich müsse noch durch dich Kindeskinder erblicken. Da sprach Elisabeth, sein angetrautes Weib: Amen, also geschehe es auch mir. Und Joseph wandte sich und sprach: Eine reine und unschuldige Lilie ist meine Maria, Ihrem Manne wird sie Wonne und liebliches Wesen bereiten; gesegnet sei die Frucht deines Leibes, das Kind, das auf deinem Schoße spielen wird; dein Mann wird dich lieben, und ein zufriedenes Herz wird dir nie fehlen; Wein und Brot wirst du die Fülle haben, und unser Heiland wird dich zeichnen zu seiner Erwählten. Und Elisabeth sprach: Amen. Da standen allen die Tränen in den Augen und redeten miteinander voll Liebe und Freundschaft.


7. Kapitel.

Der König aber erfuhr dies alles und blieb ihm nichts verborgen, da sandte er einen Boten zu Joseph und ließ ihm sagen: Komm zu mir mit deiner Tochter, die mein Weib lieb hatte, und ihrem Bräutigam. Da gingen sie in den Palast und der König freute sich über die Schönheit der Braut und sprach also zu dem Bräutigam: Ich habe vernommen, daß du ein kunstreicher Mann bist und vorab geschickt im Reißen und Malen, so will ich nun, daß du mir das Münster ausmalst, das ich unser lieben Frauen zu Ehren gebaut habe, du sollst ehrlich gehalten werden in allem, nur verlange ich zuerst die Handrisse zu sehen, wie du alles anstellen willst. Da bückte sich Johannes und sprach: Herr König, Gott verleihe dir langes Leben; diese Arbeit ist groß und wird viel Zeit brauchen, bis alles im Stande ist. Nun habe ich aber einen Gesellen bei mir, vergönnet es der König, so trüge ich ihm einen Teil der Arbeit auf. Da sprach der König: Tue wie es dich gut dünkt, nur sehe zu, daß alles wohl gemacht werde, und vor allem reiße mir die Ordnung auf ein Pergament. Da gingen sie hinweg und Johannes redete alles mit dem anderen Gesellen, und sie begaben sich in das Münster und teilten es ab, und machten die Risse dazu. Die Ordnung war aber also: über den Hauptaltar kam ein Bild unserer lieben Frauen mit dem Christkindlein, von den heiligen Aposteln umgeben. An den einen Seiten-Altar kam die Geburt unsers lieben Herren und ihm gegenüber, wie die schmerzliche Mutter Gottes unter dem Kreuz steht, und an den dritten Seiten-Altar kam die Verkündigung Mariä und diesem gegenüber die Himmelfahrt der seligsten Jungfrau. Es waren aber auch allda zwei Seiten-Kapellen, da war die eine dem hl. Evangelisten Johannes geweiht, da kam hinein auf die eine Seiten und an den Altar Geschichten aus seinem heiligen Leben, als da ist, wie er berufen wird, wie sich unser Herr vor ihm und dem heiligen Jakobus und Petrus verklärt, wie er an der Brust Christi beim Abendmahl liegt, sein überwundenes Märtyrtum, seine Verbannung und sein Tod, und noch mancherlei Zeichen und Wunder, die er getan. Alle diese Bilder riß der eine Geselle Johannes nach der Ordnung auf das säuberlichste. Der andere Geselle machte einen Riß, der da vorstellte die Eröffnung der sieben Siegel aus dem Buch der Offenbarung des heiligen Johannes; dies kam in dieselbe Kapelle. Die andere aber ward benannt die Kapelle der Ritterschaft, denn allda sollten die Rittereide gelobet werden. Und der andere Geselle machte den Entwurf dazu also: in die Mitte über den Altar kam der heilige Rittersmann Georgius aus Kapatocia, wie er im Kampf ist mit dem Drachen, und umher sollten kommen Bilder, die da zeigen, wie ein edeler, tugendliebender Ritter in aller Ehrbarkeit und Frommheit leben soll, wie züchtig und keusch mit seinem Gemahl zu Haus, als tapfer und großmütig im Streit und ehrsam im Turnei und allerlei Ritterspiel. Dies alles wurde gerissen auf manch Pergament, und darauf trat Johannes vor den König, und der König betrachtete alles auf das fleißigste und gefiel ihm wohl; er befahl auch eine Schrift zu schreiben, wie alles gehalten werden sollte, und dieser Schrift wolle er sein eigenes Petschier unterdrucken. Also hatten die beiden Gesellen gute Zeit und eine Arbeit, so ihnen Freude und Ehre brachte, und dachten nun auf das fordersamste die Hochzeit zu vollziehen und sprachen zu Joseph: Mache fein bald und bestimme den Tag dazu, denn es fehlt uns jetzt an nichts.


8. Kapitel.

Danach geschah es, daß Joseph sprach: Wir wollen morgen ein großes Mahl bereiten, und es soll Hochzeit sein; doch bereitet alles dazu, daß nichts mangle. Da schaffte Elisabeth, und als der Abend da war, sprach sie: Nun ist alles bereitet, und morgen wird es an nichts gebrechen. Und es war früh am Tage, als Sulamith erwachte; da trat sie an das Bett ihrer Schwester, und siehe, Maria schlief. Da neigte sich Sulamith und sprach: Wach auf, liebe Schwester, süße Braut, der Bräutigam wird nicht fern sein. Und sie erwachte und grüßte Sulamith freundlich, und Sulamith sprach: Steh eilends auf, daß wir uns schmücken zur Hochzeit. Da stand Maria auf, und Sulamith führte sie zu einem Bilde unserer lieben Frauen, und sie knieten nieder, manch Gebet sprechend zum Dank und zur Bitte eines glücklichen Ehestandes. Die Königin aber hatte, als sie noch lebte, ein Kästlein an Sulamith gegeben, mit köstlichem Schmuck, den noch niemand getragen hatte, den sie sollte an ihrem Brauttag tragen. Und Sulamith legte ein weißes Kleid an, da war das Mieder wohl verziert

Empfohlene Zitierweise:
Franz Pforr: Das Buch Sulamith und Maria. In: Der Wagen 1927, S. 51–58. Otto Quitzow, Lübeck 1926, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Buch_Sulamith_und_Maria.pdf/6&oldid=- (Version vom 30.6.2018)