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Franz Pforr: Das Buch Sulamith und Maria. In: Der Wagen 1927, S. 51–58

und gestickt mit Gold manche Blume; aber Maria zog ein rotes Kleid an, das einen schwarzen zierlichen Saum hatte, und sie nahm den köstlichen Schmuck aus dem Kästlein, ihre Schwester Sulamith zu zieren. Sie faßte ihr goldfarbiges Haar in eine köstliche Spange von Gold und edelen Steinen, die genannt werden Rubinen, und legte ihr einen Gürtel von eitel Gold um den Leib, der war geziert mit den prächtigsten Steinen, mit Diamanten und Saphiren, Beryllen und dem Stein Onyx. Und Sulamith zog köstliche Schuhe an ihre Füße, also daß sie anzusehen war wie die Sonne beim Aufgang, und sie sprach: Ich konnte dir, meine liebe Maria, dasselbige geben, also wie ich es trage; doch weiß ich, daß du es nicht nimmst; so laß mich dich schmücken, wie du es gerne hast. Und sie zog aus dem Schmuckkästlein ein kleines elfenbeinernes Kreuz mit unserm lieben Herren, wundersam geschnitzt, das hing an einer rosinfarbenen Schnur, das legte sie ihr um den Hals, und zierte sie noch mit zween Ohrenringen, an denen Granatäpfel, aus einem Beryll geschnitten, auf das künstlichste hingen. Dann flochten sie Kränzleins aus grünen Myrtensprossen und setzten sie sich auf das Haupt. Und da alles geschehen war, setzte sich Sulamith mit ihrer Schwester, und es däuchte sie, ihre süße Maria noch nie so schön und lieblich gesehen zu haben; und sie ward erfreut im Geist, also daß sie ihr den Kuß der Liebe gab. Über ein kleines aber hörte man den Schall der Geigen, Pfeifen, Harfen, Psalter und allerlei Saitenspiel, denn die beiden Gesellen kamen, ihre Bräute zu holen, mit vielen Männern und Weibern und jungen Dirnen, die alle aus der Freundschaft Josephs waren. Und die Gesellen waren gekleidet, wie es Bräutigamen ziemt, und trugen Kränzleins. Ein jeder hatte auch nach Landessitte einen Knaben, in seiner Farbe gekleidet, mit sich gehen; der aber an des andern Gesellen Seite ging, war ein fast schöner Knabe, den er lieb hatte. Als sie nun in das Haus kamen, gingen die Gesellen mit ihren Knaben allein in die Kammer, und jeder führte seine liebliche Braut heraus, und die Eltern gingen mit, und der ganze Zug ging in die Kirche; allda verband sie der Priester und hielt ihnen wohl vor die Pflichten des Ehestandes und segnete sie darauf ein im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Und sie kehrten zurück und waren fröhlich in Zucht und Ehrbarkeit den ganzen Tag. Als es nun Abend geworden, und sie bei dem Nachtmahle saßen, sprach Joseph: Ich habe euch etwas zu sagen, das euch leid tun wird; allein wir müssen uns hinein fügen. Ich muß eine große Reise tun und euch allein lassen, denn mein Weib Elisabeth wird mit mir ziehen, also daß sie bei ihrem Bruder leben wird eine Zeit, der es schon lange begehrte. Ich werde aber weiter gehen, auf daß ich alles in Ordnung richte. Da tat es allen fast leid; doch redete Joseph und Elisabeth ihnen zu, also daß sie sich trösteten. Da es nun Nacht war, nahmen die Jünglinge Fackeln und schmückten sich mit Kränzen, und alle geleiteten die Verlobten zu ihren Häusern mit Saitenspiel und Gesang. Und Joseph und Elisabeth führten Johannes und Sulamith in das bräutliche Gemach, küßten sie und gingen hinweg; und alle geleiteten den andern Gesellen mit seiner auserwählten Braut auch zu seinem Haus, und Joseph mit seinem Weibe führten auch sie in die hochzeitliche Kammer, küßten sie und gingen hinweg; und als sie zurück kamen, beteten sie lange und viel um das Wohl ihrer Kinder.


9. Kapitel.

Und des andern Morgens früh, ehe es noch Tag war, stand Joseph auf und hieß die Maultiere satteln und sich zur Reise anschicken, und er ließ seinen Kindern sagen: Lebet wohl, der Abschied tat uns zu leid, und so gingen wir in der Stille weg. Seid gutes Muts, denn wir sehen uns bald und froh wieder. Und so zog er mit seinem Weibe hinweg, und nach neun Tagen kamen sie zu Elisabeths Bruder, und er empfing sie gut und freute sich sehr; aber Joseph zog weiter und gedachte alles auf das baldigste zu machen; doch verzog es sich, also daß fast ein Jahr verstrichen war, ehe er wieder zu seinem Weibe kam, die ihn mit Sehnsucht erwartete. Und alsbald ließ sie ihren Kindern sagen: Gehet es wohl? Euer Vater ist bei mir angekommen. Nun schicket euch an; wir werden bald bei euch sein. Und der Bote ritt auf einem jungen Maul, also daß er bald da war. Darauf nahm Joseph mit seinem Weibe Abschied von ihrem Bruder, der sie mit weinenden Augen entließ. Und sie reisten fort, und nach sieben Tagen des Morgens früh sahen sie zween Reuter auf sich loskommen, und Joseph sprach: Ist es Friede, wenn diese kommen? Und er sprach zu einem Knaben: Laufe voraus und sage mir, wie sie reuten. Und der Knabe lief eine Strecke und kehrte wieder um und sprach: Es sind zween stattliche Männer, doch sehen sie nicht Rittern gleich; der eine ist grün und reutet einen blanken Schimmel, der andere aber rot gekleidet und reutet ein schwarzes Pferd, doch Waffen sah ich keine. Als sie nun näher gekommen, sprach Joseph zu seinem Weibe Elisabeth: Liebes Weib, freue dich sehr, denn es sind unserer Töchter Männer. Und sie kamen heran und stiegen ab von den Rossen, und sie herzten sich und freuten sich kein kleines, und Joseph sprach: Gehet es auch unsern Kindern wohl? Und Johannes antwortete und sprach: Wohl, kommet und sehet es selbst. Und die beiden Männer kehrten wieder um und ritten nach der Stadt. Joseph aber kam mit seinem Weibe nach zween Tagen, als der Tag sich neigte, in das Haus seiner Väter. Und er sprach zu seinem Weibe Elisabeth: Laß uns jetzo ausruhen und morgen unsere Kinder heimsuchen; denn noch kenne ich die Stätte ihrer Wohnung kaum, dazu sah ich sie nur bei Nacht.


10. Kapitel.

Des andern Tages aber machten sich beide, Joseph mit seinem Weibe, auf und gingen nach dem Haus Johannis, des Mannes Sulamiths. Und sie gelangten zu einem Garten, der war lieblich und schön, da standen Feigenbäume und Granatäpfelbäume und Weinstöcke und Mandelbäume; auch war ein Brünnlein darin, da sprang das Wasser lieblich und silbern und lief in einen absonderlichen Teil des Gartens, und es gingen darin zwischen den Blumen weiße Rehleins und Reiher und Pfauen und Tauben, und am Ende des Gartens stand das Haus, das war fast schön und doch nur einfältig erbaut ohne große Pracht, und davor stand ein herrlicher Palmbaum, und darunter sahen sie ihre Tochter Sulamith

Empfohlene Zitierweise:
Franz Pforr: Das Buch Sulamith und Maria. In: Der Wagen 1927, S. 51–58. Otto Quitzow, Lübeck 1926, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Buch_Sulamith_und_Maria.pdf/7&oldid=- (Version vom 30.6.2018)